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Thüringer AfD hechelt hinter Höcke her

Extrem Kein kritisches Wort auf dem Landesparteitag über den Chef. Der entschuldigt sich für „die Tonlage“ der Mahnmal-Rede

aus Arnstadt und Dresden Sabine am Orde und Michael Bartsch

Dieses eine Mal bleibt der Applaus für den Vorsitzenden zögerlich. Björn Höcke, der Thüringer Landes- und Fraktionschef der AfD, steht am Samstag in der Arnstadter Stadthalle, die Landespartei will hier später ihre Kandidaten für die Bundestagswahl aufstellen. „Ich habe ein wichtiges Thema in einer Bierzeltrede vergeigt“, hat Höcke gerade gesagt.

Doch dann spricht er von „falscher Tonlage“, „Interpretationsspielräumen“ und einer „Flanke“, die er aufgemacht habe. „Das war ein Fehler. Dafür möchte ich mich hier entschuldigen.“ Inhaltlich distanziert er sich nicht von seiner umstrittenen Rede in Dresden. Nicht von der „dämlichen Bewältigungspolitik“ und der Forderung nach einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“. Nicht von seinem Vorwurf, einige der AfD-Kandidaten für den Bundestag wollten sich in Berlin nur durchfressen. Und auch nicht von seinem Ziel: „einem vollständigen Sieg“. Der Auftritt in Dresden hat ihm am vergangenen Montag unter anderem wegen Ähnlichkeiten zu einer Rede, die Hitler 1932 in Kiel gehalten hat, ein Parteiausschlussverfahren eingebracht.

Dass er gegen das Parteistatut verstoßen habe, weist Höcke zurück. Das Ausschlussverfahren sei „durch nichts, aber auch gar nichts“ gerechtfertigt. „Ich habe nicht vor, die AfD zu verlassen“, sagt er. Da brandet Applaus auf, „Höcke, Höcke!“-Rufe schallen durch den Saal.

Gerüchte, er könne entgegen früherer Aussagen nun doch für den Bundestag kandidieren, erteilt Höcke eine Absage. Er empfiehlt den Landtagsabgeordneten Stephan Brandner für Listenplatz 1. Der wird in seiner Bewerbungsrede später sagen, er stehe „vollständig hinter Björn Höcke“ – und wird prompt mit wenigen Gegenstimmen gewählt. Fast keiner der KandidatInnen, die sich in den kommenden Stunden für einen Platz auf der Landesliste bewerben, kommt ohne ein Bekenntnis zu Höcke aus, so mancher versucht ihm nachzueifern. Nicht einer äußert sich kritisch.

Fast keiner der Kandidaten kommt ohne ein Bekenntnis zu Höcke aus

Obwohl Höcke hier ein Heimspiel hat und Unterstützung nicht braucht, sind Parteivizechef Alexander Gauland aus Brandenburg und André Poggenburg aus Sachsen-Anhalt nach Arnstadt gereist. Beide sind Verbündete Höckes, im Bundesvorstand haben sie mit nur zwei anderen gegen das Parteiausschlussverfahren gestimmt. Ihre Landesverbände haben die Ordnungsmaßnahme gegen Höcke umgehend scharf kritisiert. Als Gauland, während Höcke spricht, etwas verspätet den Saal betritt, wird er mit Standing Ovations begrüßt. „Irrsinn“ sei diese Maßnahme, die vor keinem Schiedsgericht Bestand haben werde, wird Gauland später in seiner Rede sagen. Und: Höcke werde in Berlin fehlen. „Eine Rede wie in Dresden, etwas verändert im Deutschen Bundestag, und wir hätten die Republik gerockt.“

Der sächsische Landesverband der AfD tut sich jedoch schwer Position zu beziehen. Offensichtlich befinden sich die Sachsen in dem Konflikt: Loyalität zur Landes- und zugleich Bundesvorsitzenden Frau­ke Petry, Loyalität und Sympathien für Höcke andererseits. Petry hatte den Ausschluss ihres Thüringer Konkurrenten betrieben. In Dresden ist vom Generalsekretär des Landesverbands Uwe Wurlitzer lediglich zu vernehmen: „Die AfD Sachsen unterstützt den mehrheitlich herbeigeführten Beschluss des AfD-Bundesvorstands zum Parteiausschluss von Herrn Höcke.“ Die Junge Alternative Dresden aber, die Höcke am 17. April eingeladen hatte, ist der Ansicht: Die AfD müsse Positionen aushalten, „die sich innerhalb unserer Satzung und des Grundgesetzes bewegen“.

Auch Poggenburg kritisiert das Parteiausschlussverfahren scharf. Das „freie Wort ohne Denk- und Sprechverbote“ sei einer der Grundpfeiler der AfD. Poggenburg selbst hatte jüngst im Magdeburger Landtag eine bemerkenswerte Rede gehalten. „Linksextreme Lumpen müssen von deutschen Hochschulen verbannt werden“, sagte er. Und: „Helfen Sie dabei, die Wucherungen am deutschen Volkskörper loszuwerden.“

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