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So werden die guten Geschäfte gemacht

Raum Anspruchsvolle Käufer fragen nicht nur nach Bioqualität der Waren, sondern gucken auch aufs Umfeld. Nachhaltiger Ladenbau ist gut für die Umwelt, den eigenen Ruf und rechnet sich: Kosten sinken und Kunden kommen – weil sie sich wohlfühlen

Ein Anfang: Biogemüse in der Holzkiste Foto: Malte Jaeger/laif

von Lars Klaaßen

Wer beim Einkauf Wert auf Qualität legt, fragt in vielen Fällen auch nach ökologischen und sozialen Kriterien: Ist das bio, wurde es fair gehandelt, kommt es aus der Region? Was bei Lebensmitteln seinen Anfang nahm, setzt sich in immer mehr Bereichen fort. Auch Kosmetik, Kleidung oder Möbel werden verstärkt danach beurteilt, ob sie nachhaltig sind. „Verbraucher sind bereit, mehr Geld auszugeben, wenn Sie wissen, dass solche Standards garantiert werden“, erläutert Christian Hilz, Geschäftsführer von Trend-Store Shop Creation in Greding und Autor des Leitfadens „Nachhaltigkeit im Ladenbau“ (herausgegeben vom EHI Retail Institute).

Nachhaltigkeit beschränkt sich also nicht nur auf Produkte, auch Ladenbau muss sich daran messen lassen. Dabei gilt es, verschiedene Bereiche zu berücksichtigen und aufeinander abzustimmen: Strom und Wärmeverbrauch werden minimiert, natürliche Ressourcen genutzt, verwendete Mate­ria­lien sind recycelbar. „Nachhaltigkeit stellt ein Ideal dar, dem man sich schrittweise annähern sollte“, betont Hilz. „Wenn ein Ladenbauer das Thema ernst nimmt, ist das Chefsache.“ Es seien bislang vor allem Händler, die nachhaltige Produkte anbieten, die sich bewusst für nachhaltigen Ladenbau entscheiden.

Zu jenen, deren Kernthema die Verbindung von Mode und Nachhaltigkeit ist und die dies nun auch im Ladenbau umsetzten, gehört hessnatur. Der weltweit größte Anbieter für natürliche Mode und Vorreiter für ökologische und soziale Standards in der Textilproduktion, hat zunächst zwei nachhaltig konzipierte Concept-Stores in Frankfurt am Main und Düsseldorf eröffnet, eine weitere Dependance folgte in Berlin. Verglichen mit dem Stammhaus in Butzbach (850 qm) oder den hessnatur-Geschäften in Hamburg (600 qm) und München (500 qm) sind hessnatur Concept-Stores mit einer Verkaufsfläche von 200 bis 400 Quadratmetern konzentrierter. Auch daran kann man das Streben nach Effizienz und damit Nachhaltigkeit ablesen. Das Sortiment ist fokussiert auf die Besonderheiten der Saison. Nicht zuletzt deshalb lässt das Ladenkonzept der Innenarchitekten Blocher Blocher Shops bewusst viel Spielraum für Variationen. Was umgenutzt werden kann, muss nicht ersetzt werden. Auch das reduziert den Verbrauch von Ressourcen.

Das Konzept geht bis in Details, die mit bloßem Auge nicht wahrnehmbar sind. So wurden die Böden der neuen Stores aus Mikrobeton gefertigt, einem sehr belastbaren Material, das zu 90 Prozent mineralisch ist. Das Mobiliar kommt als ökologisches Evergreen daher: Eschenholz für ein transparentes Regal­system, Antrittsmöbel, die Beschilderung und Vorlagetische – in deutschen Wäldern geschlagen. Die Konstruktion wurde in deutschen Betrieben gefertigt. Angesichts globalisierter Handelsströme kommt das schon regionaler Kreislaufwirtschaft nahe. Als Zitat eines Ökoklassikers kann man auch den Kassentresen bestaunen: Er ist außen mit Stampflehm verkleidet. Das Naturmaterial sorgt für ein angenehmes Raumklima und lässt sich zu 100 Prozent wiederverwenden.

Diesem Kreislaufgedanken entsprechen auch die Ma­te­ria­lien und Bezüge der Sitzhocker und Stufenmöbel, die Fliesen sowie die Tragetaschen. Sitzflächen und Abdeckungen sind aus Reststücken gefertigt. Bei Planung und Realisierung der beiden Geschäfte, wurde generell darauf geachtet, dass keine Schadstoffe verwendet werden. Auch auf Duft- oder Aromamarketing verzichtet hessnatur konsequent. Der Laden verfügt außerdem über einige Oberlichter, die es Kunden ermöglichen, Kleidung bei natürlichem Licht anzuprobieren. Das senkt ganz nebenbei auch noch den Verbrauch für künstliche Beleuchtung. Damit die Kunden auch mitbekommen, dass nicht nur die Ware, sondern der ganze Laden nachhaltig ist, informiert hessnatur auf Infofliesen über die einzelnen Ladenelemente.

Anfangs waren die kleinen Ökoläden, später die edlen Boutiquen Vorreiter nachhaltigen Ladenbaus. Doch auch die Großen ziehen mittlerweile nach, zum Beispiel Rewe. Ein Leuchtturmprojekt im Ladenbau wurde in Berlin gebaut, der erste Supermarkt in einem sogenannten Green-Building. Mittlerweile sind 200 solcher Filialen deutschlandweit in Planung, 80 davon bereits fertiggestellt. Der Primärenergiebedarf dieses Konzepts liegt bei 48 Prozent gegenüber bisherigen Rewe-Standardmärkten. Die Baukons­truk­tion besteht aus 12 Leimholzrahmenbindern, die das Ge­bäude weiträumig überspannen. Wichtig für die Anwendung des Konzepts bei unterschiedlichen Stand­orten und Marktgrößen: Die Konstruktion ermöglicht es, Längen- und Achsabstände zu variieren. Auch die Dach- und Wandkonstruktion besteht aus Holzfertigteilen. Hohlkammerelemente mit Einblaswärme­dämmung ermöglichen eine schnelle Montage. Mit der verbauten Menge Holz wurden der Atmosphäre 435 Tonnen Kohlendioxid entzogen.

Alle Baumate­ria­lien wurden im Vorfeld durch Energieberater begutachtet und während der Planungs- und Bauphase auf ihre ökologische Nachhaltigkeit hin geprüft. Die Wandverkleidung kann je nach Bedarf mit regionaltypischen Materialien gestaltet werden. Was auch auf lange Sicht die Kosten senkt: Die Werkstoffe sind sortenrein verbaut. So können sie später einmal ohne Aufwand getrennt recycelt werden.

Verbraucher sind bereit, für Nachhaltigkeit mehr Geld auszugeben

In Berlin fällt das Tageslicht durch ein 280 Meter langes umlaufendes Fensterband in den großen Verkaufsraum. Damit es sich gleichmäßig in der Halle verteilt, wurden zusätzlich noch 18 Lichtkuppeln in das Dach eingebaut. Mit dieser Architektursprache, so Rewe, zitiere man traditionelle Markthallen. Für den Alltagsbetrieb aber ist vor allem relevant, dass dieses Lichtkonzept eine Vielzahl an Aufteilungen und Nutzungen ermöglicht. Denn Lebensmittel müssen zum Teil auch vor Sonne geschützt werden. Was dazu nötig ist, wird über innen liegende Rollos automatisch gesteuert. Die energieeffiziente Beleuchtungsanlage wird über Helligkeitssensoren tageslichtabhängig geregelt. Dabei wird nur so viel künstliches Licht zugeschaltet wie nötig. Das spart zusätzlich Energie und schafft eine angenehmere Atmosphäre, als in den verbreiteten fensterlosen Supermärkten.

Die Ausstattung der mit Glastüren und Energiesparlüftern reduziert Kälteverluste und senkt den Energiebedarf erheblich. Was noch benötigt wird, kommt direkt vom Dach. Mit dem solaren Ertrag der beiden Anlagen dort könnte man 35 Haushalte à vier Personen das ganze Jahr über mit Strom versorgen. Wandkühlregale, Tiefkühlmöbel Thekenanlage, Kühlräume und Wärmepumpe werden zudem ausschließlich mit dem natürlichen Kältemittel CO2 betrieben, das nicht zum Abbau von Ozon beiträgt. Die Abwärme der Kälteanlagen wird über einen 4.000 Liter großen Pufferspeicher für die Raumheizung zurückgewonnen. Die guten thermischen Voraussetzungen am Standort in Berlin ermöglichen außerdem die Nutzung von Erdwärme. Zwölf Erdsonden wurden mit einer Tiefe von je 99,5 Meter im Bereich der Parkplätze eingebracht. Durch sie kann völlig auf die Verbrennung von Öl und Gas verzichtet werden. Zusätzlich zur Raumheizung wird die Geothermie für die Klimatisierung im Sommer genutzt. Mit der installierten Geothermieleistung könnte man ein Jahr lang 13 Einfamilienhäuser heizen und klimatisieren.

Nicht nur Erdwärme und Sonne werden genutzt, auch aus schlechtem Wetter macht das Green Building noch etwas: Das Regenwasser von der Dachfläche wird in einer 6.000 Liter fassenden Zisterne gefiltert und gesammelt. Es wird zur Fußbodenreinigung, für die Toilettenspülung und die Bewässerung der Außenanlage genutzt. Das spart nicht nur kostbares Trinkwasser. Da es sich um kalkfreies Regenwasser handelt, werden im Markt auch deutlich weniger Reinigungsmittel benötigt.

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