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Größter Mist

Tennis Bei der 0:4-Niederlage im Fed Cup gegen die USA geht bei den deutschen Frauen aber auch wirklich alles schief. Nun muss das Team im April schonwieder um den Klassenerhalt bangen

Aus Lahaina Doris Henkel

Viel offensichtlicher hätte der Unterschied zwischen dem, was man sah, und dem, was passierte, nicht sein können. Bei der Niederlage des deutschen Teams im Fed Cup auf Maui gegen Team USA (0:4) ging alles schief, was schiefgehen konnte, und nun muss man wie im vergangenen Jahr im April um den Klassenerhalt spielen. Die Enttäuschung war groß am Ende, und als Bundestrainerin Barbara Rittner gebeten wurde, die Woche in kurzen Worten zusammenzufassen, fand sie eine plakative Formulierung: „Größter Mist in schönster Umgebung.“

Um nach dem 0:2-Rückstand des ersten Tages überhaupt eine Chance zu haben, musste im ersten Spiel des zweiten Tages ein Sieg von Andrea Petkovic gegen die Nummer eins der Amerikanerinnen, CoCo Vandeweghe, her, danach ein Sieg von Carina Witthöft, die Julia Görges’ Platz einnehmen sollte, die am Abend zuvor auf der regenfeuchten Grundlinie ausgerutscht war und dabei das Innenband und den Meniskus lädiert hatte. Das war die zweite Verletzung, nachdem Laura Siegemund bereits mit Problemen im Schlagarm in Hawaii angekommen war. Wenn von vier Spielerinnen zwei ausfallen, wird die Sache ziemlich eng; Auswahl gibt es dann nicht mehr.

Dennoch machten sie sich vorsichtig Hoffnungen, und nach einer Stunde des Spiels zwischen Petkovic und Vandeweghe sah es mit jedem Ballwechsel ein wenig mehr danach aus, als könne noch was gehen. Petkovic führte 6:3 und 4:2, die Amerikanerin schwächelte sichtlich, lag zwischendurch dick mit Eisbeuteln bepackt auf dem Boden.

Doch dann schlug Petkovic im nächsten Spiel zwei vergleichsweise leichte Vorhandbälle ins Netz, sie verlor ihr Aufschlagspiel – und das war’s. Zunächst in banger Ahnung, später mit ungläubigem Erkennen und zum Ende hin ziemlich erschüttert sahen die Bundestrainerin und der Rest der deutschen Mannschaft, wie Andrea Petkovic das Match entglitt; sie gewann bis zum bitteren Ende (6:3, 4:6, 0:6) kein einziges Spiel mehr. Damit war nicht nur das Spiel verloren, sondern die gesamte Partie, die Amerikanerinnen ließen sich feiern, während die Deutschen konsterniert die Arena verließen.

„Wenn’s nichtmeinen Weg läuft, kommt eine kleine Paralyse in mich“

Andrea Petkovic

Das sei schwierig in Worte zu fassen, meinte Andrea Petkovic später. „Ich weiß in solchen Momenten selbst nicht genau, was mit mir passiert. Wenn’s nicht meinen Weg läuft, kommt eine kleine Paralyse in mich, und ich fühle mich dann sehr schwer.“ Nach dem emotionalen Ausbruch am Tag zuvor wegen der falschen Strophe der deutschen Hymne bei der Eröffnungszeremonie, der lange anhielt und schwer zu stoppen war, saß sie diesmal relativ gefasst da und sprach in kurzen, schnörkellosen Sätzen. „Wenn mich das Unvermögen blockiert und ich schlecht spiele, dann habe ich es auch nicht verdient zu gewinnen“, sagte sie. „Ich hätte das erste Match gewinnen können und das zweite Match gewinnen müssen. Ich hab’s nicht hingekriegt, das geht auf meine Kappe. Da hab ich mein Team hängen lassen.“

Und das Ende passte auch zur Sammlung von Pech und Pleiten in schönster Umgebung. Weil sie beim Einspielen zum Doppel wieder einen Stich im rechten Arm gespürt hatte, gab Laura Siegemund an der Seite von Carina Witthöft im bedeutungslosen Doppel beim Stand von 1:4 auf. Team USA wird im April zum ersten Mal seit 2010 wieder in einem Halbfinale spielen, Gegner wird Titelverteidiger Tschechien sein.

Barbara Rittner meinte in der letzten Pressekonferenz mit traurigem Blick auf den Pazifik, sie habe schon bessere Wochen im Fed Cup erlebt. Sie müsse das Ganze erst mal sacken lassen, um Schlüsse aus dieser Woche zu ziehen, in der nichts so gelaufen war, wie sie und der Rest des Teams das gehofft hatten. Zur Krönung des Ganzen mussten die Rückflüge umgebucht werden, weil ein Verbindungsflug in Montreal wegen eines Schneesturms gecancelt worden war. Am Ende flogen sie auf verschiedenen Routen nach Deutschland zurück. Andrea Petkovic bleibt noch zwei Tage; sie wird Hawaii am Dienstag Richtung Los Angeles verlassen, wo sie die Zeit bis zum Start in die nächste Etappe beim Turnier in Acapulco verbringen wird. Sie wird viel Zeit haben, um über die Erlebnisse im Royal Lahaina Resort nachzudenken.

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