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Ein zweiter Fall Amri?

Hessen Die Polizei nimmt einen Mann fest, der für den IS Anschläge geplant haben soll. Er war schon im Sommer in Haft – durfte das Gefängnis aber schnell wieder verlassen

Polizisten am Mittwoch vor einer Frankfurter Moschee Foto: Boris Roessler/dpa

aus Wiesbaden Christoph Schmidt-Lunau

„Wir dulden keine Radikalisierungsräume, nicht in Moscheen und auch nicht an anderen Orten.“ Mit diesen markigen Worten kommentierte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) am späten Mittwochvormittag die Zerschlagung eines „weit verzweigten salafistischen Netzwerks“.

In den frühen Morgenstunden hatten 1.100 Beamte von Staatsanwaltschaften, Polizei und Landeskriminalamt im Rhein-Main-Gebiet 54 Moscheen, Bürogebäude und Wohnungen durchsucht, 33 davon allein in Frankfurt am Main. Dabei wurden 16 Personen festgenommen, darunter ein 36-jähriger Tunesier, der der Justiz schon lange zuvor bekannt gewesen war.

Die Behörden bezeichnen ihn als „Anwerber und Schleuser“ der Terrororganisation „Islamischer Staat“ und werfen ihm vor, in Deutschland einen terroristischen Anschlag geplant zu haben. Diese Pläne seien mit seiner Verhaftung in einer „frühen Phase“ gestoppt worden, so die deutschen Ermittler.

Doch wie der Fall des Berliner Attentäters Anis Amri, ebenfalls tunesischer Staatsbürger, wirft auch dieser vermeintliche Fahndungserfolg viele Fragen auf. Spätestens seit dem 3. Juni vergangenen Jahre suchten die tunesischen Behörden den Mann nämlich per Haftbefehl. Er wird unter anderem für den Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis verantwortlich gemacht, bei dem im März 2015 mehr als 20 Menschen ums Leben gekommen waren. Der Tunesier reiste fünf Monate nach dem Anschlag, im August desselben Jahres, nach Deutschland ein und beantragte hier Asyl. Offenbar ahnten die deutschen Behörden lange nichts von der mutmaßlichen Beteiligung an der Tat in Tunesien.

Ein ganzes Jahr, bis zum 24. August 2016, konnte sich der Verdächtigte offenbar in Deutschland frei bewegen. Er blieb auch noch fast drei Monate nach dem in Tunis ergangenen Haftbefehl in Deutschland unbehelligt. Erst im August 2016 kam er in Deutschland in Haft, aber nicht etwa wegen des Terrorverdachts, sondern weil er eine Reststrafe aus einer Verurteilung wegen Körperverletzung im Jahr 2008 absitzen musste. Er hatte sich schon damals für eine Weile in Hessen aufgehalten.

Nach Verbüßung dieser Haftstrafe hatten die deutschen Behörden die Gefahr offenbar erkannt und den 36-Jährigen in Auslieferungshaft genommen. Nach 40 Tagen, am 4. November, habe man ihn aber wieder freilassen müssen, weil Tunesien „trotz eindringlicher Bitten“ für die Auslieferung erforderliche Unterlagen nicht bereitgestellt habe, so die deutschen Strafverfolgungsbehörden.

Nach 40 Tagen habe man ihn wieder freilassen müssen

Immerhin ist der 36-Jährige danach wohl rund um die Uhr beschattet worden, auch wenn er formal nicht als Gefährder eingestuft war. Nur aus ermittlungstaktischen Gründen habe man erst jetzt, in der Nacht zum Mittwoch, zugegriffen. Demnach steht also fest: Ein heute des Terrorismus Verdächtigter konnte über ein Jahr lang seinem Auftrag als „Schleuser und IS-Anwerber“ in Deutschland nachgehen.

Noch als in Tunesien ein Haftbefehl gegen ihn vorlag, hatte er sich zwei weitere Monate lang in Deutschland frei bewegen können. Von der taz auf diese Umstände angesprochen, verwies Hessens Innenminister Beuth abermals auf die „mangelnde Kooperation der tunesischen Behörden“.

Beuth nannte die Razzia und die Festnahme des Terror­verdächtigen jedenfalls ein „starkes Signal“ und fügte dann noch hinzu: „Wir haben die ­salafistische Szene fest im Blick.“

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