berliner luft
: Stiller Stuhl für Erika

die berlin-parlamentskolumne

von Anja Maier

Ganz hinten muss sie jetzt sitzen, die Erika Steinbach. Nachdem die Krawallschachtel der Unionsfraktion Anfang dieser Woche ihren Austritt aus der CDU erklärt hatte, musste sich ihre ehemalige Fraktion was einfallen lassen. Wohin mit einer Frau, die mehr als ein Vierteljahrhundert durch ihre und für ihre Partei im Bundestag gesessen hat? Mit 73 Jahren kann man der Lady kaum empfehlen, sich von zu Hause einen Klappstuhl mitzubringen.

Die Bundestagsverwaltung wusste eine Lösung. Sie hat in der allerletzten Reihe, noch hinter der Unionsfraktion, einen „stillen Stuhl“ für Erika montieren lassen. Eine Art Ausgedingehäuschen für eine, die erst kürzlich via Twitter jenes Land, das „ihre“ CDU seit zwölf Jahren regiert, eine „Bananenrepublik“ geschimpft hat.

Da sitzt sie nun. So weit hinten, dass sie nicht einmal mehr die Reichstagsbesucher sehen können. Aber eine aus der Unionsherde vertriebene, quasi in ein Extragatter verfrachtete Erika – ist das schlau?

Man kann argumentieren, dass die Union sich auch nicht alles gefallen lassen muss. Dass also eine, die permanent um sich beißt, jetzt mal sehen soll, wie sich allein sein anfühlt.

Doch der einsame lilafarbener Stuhl wird wohl etwas anderes bewirken. Er wird Erika Steinbach, diese empathiefreie Blondine, zum Opfer stilisieren. Zu einer Einzelkämpferin für das Unbequeme in der Politik. Die Bundestagsverwaltung könnte das wissen, schließlich hat sie mit stillen Stühlen bereits Erfahrungen gemacht.

Als 2002 die beiden PDS-Frauen ­Petra Pau und Gesine Lötzsch per Direktmandat in den Bundestag einzogen, wurden auch sie platziert. Sie erhielten zwei einsame Stühle, die nicht neben, sondern hinter den Reihen der SPD-Fraktion in den heiligen Plenarsaalboden geschraubt worden waren. Da saßen sie, baumelten mit den Beinen und bekamen nicht mal einen Tisch. Auch nicht auf Antrag.

Aha, dachten sich die – großenteils ostdeutschen – PDS-WählerInnen, so wird also im Parlament mit Minderheiten umgegangen. Wir kreuzen die auf unserem Stimmzettel an, und dann müssen sie in die Ecke? Bei der Bundestagswahl 2005 wählten sie dann 54 Abgeordnete ins Hohe Haus. Und die bekamen dann auch Tische. Und Telefone.

Erika Steinbach, so viel kann man schon jetzt sagen, genießt ihre Solitärstellung. Verfemt sein kann auch ein schöner politischer Antrieb sein. „Von da aus hat man den vollständigen Überblick“, twitterte sie am Donnerstag.