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Ein Land, zwei Präsidenten

Gambia Wahlsieger Adama Barrow lässt sich im Senegal vereidigen, wo Eingreiftruppen bereit stehen, um ihn nach Hause zu bringen. Banges Warten auf den Einmarsch

Gambias nächster Präsident Adama Barrow sitzt im Senegal Foto: Afolabi Sotunde/ reuters

von Katrin Gänsler

COTONOU taz | Plötzlich schweigt Yahya Jammeh eisern. In den vergangenen Tagen hatte der 51-jährige abgewählte Präsident Gambias immer wieder seinen Rücktritt strikt zurückgewiesen. Doch am Tag, an dem die Amtsübergabe eigentlich stattfinden sollte, meldete Jammeh sich nicht. Dafür Wahlsieger Adama Barrow, der im Nachbarland Senegal darauf wartet, gambischer Präsident zu werden.

Nach zahlreichen Spekulationen verkündete Barrow am Donnerstagvormittag, dass er am Nachmittag in der gambischen Botschaft in Senegals Hauptstadt Dakar den Amtseid leisten werde. Gambia hätte damit einen neuen Präsidenten – und einen alten, der es auch bleiben will.

Dabei hat Jammeh gerade einen weiteren wichtigen Unterstützer verloren: Armeechef Ousman Badjie. Noch in seiner Neujahrsansprache hatte der General betont, die Streitkräfte würden hinter Jammeh stehen. Jetzt sagte der General, er wolle nicht gegen westafrikanische Eingreiftruppen kämpfen, sollten diese in Gambia einmarschieren. „Ich werde meine Soldaten nicht in eine dumme Schlacht schicken“, erklärte er. „Ich liebe meine Männer.“

Interveniert die von der Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) aufgestellte Truppe tatsächlich, dann könnte das einem Durchmarsch gleichkommen. Jammeh ist jedoch selbst Militär gewesen und kam 1994 durch einen Militärputsch an die Macht. Es ist gut möglich, dass er auch ohne Badjie weiterhin Freunde in der Armee hat. Zeitungen berichteten außerdem, dass Jammeh Söldner eingekauft habe, aus bürgerkriegserfahrenen Nachbarländern wie Liberia und Sierra Leone.

So blieb die Ecowas-Truppe weiter im Senegal in Wartestellung, nachdem es am Mittwochabend Berichte über einen bevorstehenden Einmarsch ab Mitternacht gegeben hatte. In einem letzten Vermittlungsversuch hatte Mauretaniens Präsident Mohamed Ould Abdel Aziz am Mittwochabend in Banjul mit Jammeh gesprochen und versucht, ihn zum freiwilligen Abtritt zu bewegen. Mauretanien gehört nicht zu Ecowas, ist historisch mit Senegal verfeindet und Jammeh ist Muslim. Trotzdem flog Abdel Aziz in der Nacht unverrichteter Dinge nach Hause zurück, mit einem Zwischenstopp in Dakar.

Die Ecowas-Truppe „Ecomig“ ist über Dakar sowie das südsenegalesische Ziguinchor eingerückt. Am Donnerstagfrüh bezogen Einheiten direkt an der Grenze beim gambischen Farafenni Stellung, überschritten die Grenze allerdings offenbar nicht. Ghana hat 205 Soldaten entsandt, Nigerias Luftwaffe 200 Soldaten sowie mehrere Flugzeuge und Hubschrauber. Bereits im Dezember war klar, dass Senegals Streitkräfte den Einsatz leiten werden. Senegal ist schon lange von den Eskapaden Jammehs genervt und dürfte mehr als jedes andere Land froh sein, ihn endlich los zu werden. Noch am Donnerstag sollte der UN-Sicherheitsrat über einen von Senegal eingebrachten Resolutionsentwurf abstimmen, der „alle nötigen Mittel“ zur Durchsetzung des Machtwechsels in Gambia autorisiert.

Westafrikas Regionalorganisation Ecowas wirkt wesentlich entschlossener als in anderen Konflikten. Gambia ist klein, und ein Einsatz dürfte überschaubarer sein als in riesigen Flächenstaaten wie Mali. Die Hilfsorganisation Save the Children warnt indes vor einer humanitären Katastrophe. Mittlerweile hätten 50.000 Menschen Gambia verlassen. Am Donnerstag aber blieben Straßen und Grenzübergänge aber leer: Die Menschen warteten auf den Einmarsch.

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