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Die viereckige Zeit

Minimalismus Die Kunstaskese der 1960er Jahre zur Feier von 50 Jahren Galerie Konrad Fischer

Ihr 50-jähriges Bestehen feiert die Galerie Konrad Fischer dieses Jahr an ihren beiden Standorten in Berlin und Düsseldorf. Mit der Doppelausstellung von Hanne Darboven und Charlotte Posenenske in Berlin erinnert die Galerie an eine Ausstellung aus ihrem Anfangsjahr. 1967 gründete der Maler Konrad Fischer in Düsseldorf den Ausstellungsraum, der sich seit Beginn auf Künstler des Minimalismus und der Konzeptkunst fokussiert.

Musik war schon immer ein wichtiges Element für Hanne Darboven, die eine ausgebildete Pianistin war. Die für ihre meditativen und endlos scheinenden Schreibzeichnungen bekannt gewordene Minimalistin begann in den 80er Jahren damit, Kompositionen zu schreiben. Einst hatte sie gesagt, die Endkonsequenz ihrer Arbeit sei Musik. Den beruhigenden Charakter ihrer anderen Werke bewahren visuell auch ihre Notenkompositionen.

Die 1.009 eingerahmten Blätter der Komposition „Wunschkonzert“ füllen die Wände der unteren Etage der Berliner Galerie. Trotz der vollgehängten Wände wirkt der Raum aber nicht unruhig. Die Gleichmäßigkeit und Sorgfalt ihrer eigenen Notation bleibt in Darbovens handgemalten Linien und Zahlen bestehen und überträgt sich auf die Atmosphäre. Im Obergeschoss ist auf 72 Tafeln Darbovens vollständiges Werk „42/100 Ein Jahrhundert ABC“ ausgestellt. Hier wird jeder Tag eines Jahrhunderts in einem eigens von der Künstlerin entwickelten Notation- und Berechnungssystem dargestellt. Wenn man ihre Werke als Dokumentation von Zeit begreift, versteht man schnell, dass Darboven mit ihren Zahlenkonstrukten und Reihen von Strichen zeigt, dass sie nie gleich verläuft.

Charlotte Posenenske sorgte in den 60er Jahren mit minimalistischen Raumskulpturen für Aufsehen, zog sich aber schon 1968 aus der Kunst zurück. Insofern das Wegnehmen und Minimieren in ihren Werken eine zentrale Rolle spielte, erscheint das Verschwinden der Künstlerin fast als ein Akt der Kunst. „Dass Kunst nichts zur Lösung drängender gesellschaftlicher Probleme beitragen kann“, war nur einer ihrer Gründe. Ein anderer, dass in der Kunst vor allem das Geld regiert – dem wollte sie trotzen. Posenenskes Part der Ausstellung, „Dasselbe anders“, beinhaltet ihre Serie „Vierkantrohre Serie DW“, die 1967 schon einmal in der Galerie, allerdings in Düsseldorf, ausgestellt wurde.

Lüftungsrohre aus Pappe

Wie der Titel der Ausstellung suggeriert, sind die Elemente heute anders angeordnet. Denn Posenenske hat es stets offen gelassen, wie man ihre Werke zusammensetzt. Die aus Pappe gefertigte und im Erdgeschoss zusammengesetzte Skulptur sieht wie ein riesiges Lüftungsrohr aus und macht trotz der Beschaffenheit einen industriellen Eindruck. Das Material, Wellpappe, beschrieb die Künstlerin selbst als billig und leicht. Ihr lag es fern, Einzelstücke aus teuren Materialien zu fertigen. Um die mit Exklusivität einhergehenden Marktpreise zu unterbinden, autorisierte sie sogar Rekonstruktionen, die seitdem fabrikmäßig hergestellt werden.

In der oberen Etage der Galerie werden Stahlblechskulpturen der „Vierkantrohre Serie D“ präsentiert. Da sie variabel einsetzbar sind, hängen zwei Teile von der Decke und ein Rohr­element lehnt an der Wand. Umrandet von der Darstellung der 100 Jahre in Darbovens Notation sehen die vier Rohre so zeitlos aus, als seien sie schon immer dagewesener Teil des Raumes. Gleichzeitig zeigt sich in den präsentierten Werken deutlich die kunsthistorische Relevanz des Ausstellungsraumes im 50. Jahr seines Bestehens.

Lorina Speder

Bis 25. Februar, Galerie Konrad Fischer, Lindenstr. 35, Di.–Sa. 11–18 Uhr

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