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Madame, Madame, Madame

AntiDiskurs Kleider machen Leute – im Iran. Sprache nagelt sie fest – in Frankreich. Ein Porträt von Sorour Darabi, der_die bei den Berliner Tanztagen in den Sophiensælen einen tiefen Eindruck hinterlassen hat

von Astrid Kaminski

Sorour Darabi geht einkaufen, in Paris. Die Verkäuferin: „Bonjour Madame, kann ich Ihnen helfen, Madame?“ Darabi: „Nein, ich bin nicht ‚Madame‘“. Die Verkäuferin stutzt, dann: „O pardon, Mademoiselle“. Darabi: „Nein, das ist nicht das Problem. Sie haben mich nicht verstanden.“ Die Verkäuferin: „Aber du bist viel zu schön, um ein Typ zu sein.“ Ist die Schönheit etwa für die Frauen reserviert?

Sorours Augen blinzeln bei dieser rhetorischen Frage, was das Glitzer-Make-up noch etwas mehr schimmern lässt. Das fein geschnittene Gesicht ist gerahmt von einem schwarzen, weich anliegenden Kinnbart. Situationen wie diese passieren oft. Eine andere, aus einer Zeit, in der Darabi keine Brustbandage trug: Ein Polizist regelt den Verkehr. „Gehen Sie, Mon­sieur“, sagt er, als sich Darabi von vorne nähert. En profil korrigiert er sich: „Pardon, Madame!“ und von hinten noch einmal: „Pardon, Monsieur!“ Manchmal kann Sorour über solchen Slapstick lachen. Oft ist es aber auch nervig, nicht selten verletzend, auf jeden Fall aber immer wieder eine Konfrontation mit der eigenen Identität. Manchmal ist das zu viel.

Dieses Zuviel hat Sorour Darabi in ein Performance-Solo gegossen, das im letzten Jahr den Förderpreis des Zürcher Theaterspektakel bekam und nun bei den diesjährigen Tanztagen Berlin in den Sophiensælen lief: „Farci.e“. Ein Stück über einen dissoziierten Körperzustand, das Fragen hinterlässt. Und auch ein Antidiskursstück. Dem theoretischen Diskurs hat Sorour Darabi gelernt zu misstrauen: „Zwar bringen Diskurse die Ideen einer Gesellschaft vor­an, aber auf der anderen Seite schaffen sie auch wieder rigide Vorgaben.“ Sie führen zu Fragebögen wie jenen, die etwa einer Hormonbehandlung zugrunde liegen – mit suggestiven Fragen: „Träumen Sie oft von einem Penis?“ Befreiendes Lachen.

Die Frage nach dem Geschlecht ist nicht der Grund, warum Darabi vor drei Jahren von Shiraz, Iran, ins französische Montpellier und später nach Paris ging. Im Iran war Sorour als Mädchen aufgewachsen. Wenn auch als ein etwas seltsames, das seine Mutter mit der Idee, sich die Kopfhaare abzurasieren, an die Decke gehen ließ. Das erst Mathematik und dann Violine studierte, bis der Vater Ohrenschmerzen bekam. Dirigent oder Komponist zu werden, war das Ziel. Nach vier Jahren stieß Sorour auf die Annonce für einen Workshop: „Bewegung und Körpertheater.“ Anruf beim Workshopleiter Mohammad Abbasi. Teilnahme. Mit Hidschab und unter staatlicher Videoüberwachung. Beim Feedback-Gespräch wurde dann klar, wonach Sorour suchte: Tanz.

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Abbasi, der dafür bekannt ist, dass er in Teheran trotz des offiziellen Tanzverbots im Iran eine zeitgenössische Performance-Szene aufbauen konnte, empfahl Frankreich zum Studium. Bewerbung. Stipendium für einen Master Choreografie in Montpellier, Visum. Alles perfekt. Wenn nicht das Madame, Madame, Madame gewesen wäre. Im Farsi werden Dinge und Personen sprachlich nicht mit Geschlechtern belegt. Das Französische, das Sorour inzwischen elegant und slangsicher spricht, ist in dieser Beziehung noch resoluter als das Deutsche.

Die Krise der Selbstfindung war dann eine schwere, gefährliche. Aber sie hat nicht dazu geführt, dass Darabi sich für ein männliches oder weibliches Pronomen entschieden hätte: „An einem Morgen fühle ich mich so, am anderen so. Ich bezeichne mich als fluid. Obwohl ich vielleicht auch trans bin. Aber der Trans-Diskurs ist gerade eine Mode, die, zumindest in Frankreich, von bestimmten Leuten und Medien vereinnahmt wird. Man sagt sich jetzt: Wow, wir sind eine freie Gesellschaft. Wir lassen die Transen ins Fernsehen. Für mich sind das oft klischeehaft konstruierte Geschichten. Man begegnet ständig Leuten, die von sich sagen, sie seien ein Junge im Körper eines Mädchens gewesen oder andersherum. Die Trans-Leute, die sich letztlich der Geschlechternormativität unterordnen, werden eher akzeptiert.“

Das gilt auch im Iran. Für ein islamisches Land herrscht dort ein erstaunlich freier Umgang mit Transsexualität. Geschlechtsanpassende Operationen werden von der staatlichen Gesundheitsvorsorge übernommen. Bedingung ist allerdings die Entscheidung für ein eindeutiges Geschlecht. Als Darabi im letzten Sommer in Teheran war, gehörten Hidschab und, wegen des Bartes, Atemschutz zur Straßenverkleidung. „Atemschutz ist normal wegen der Luftverschmutzung. Nur zwei- oder dreimal habe ich es ohne gewagt. Aber wenn ich als Mann auf die Straße ginge, wäre es noch gefährlicher. Schon in Paris werde ich auf der Straße angesprochen: Du bist eine Schwuchtel, oder? Du läufst nicht wie ein richtiger Mann.“ Ein letztes befreiendes Lachen. Dann geht Sorour den jüngeren Bruder besuchen, der inzwischen in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft lebt.

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