: Gewalt der Drogenbanden eskaliert
Brasilien Mindestens 26 Tote bei erneuten Kämpfen im Gefängnis. Haftanstalten völlig überbelegt
Wie schon in anderen Haftanstalten waren auch im Alcaçuz-Gefängnis in Rio Grande do Norte schwerbewaffnete Häftlinge zweier rivalisierender Banden am Samstagabend aufeinander losgegangen. Erst am Sonntagmorgen stürmten Sicherheitskräfte das Gefängnis und beendeten die Kämpfe, wie das Ministerium für öffentliche Sicherheit mitteilte. Kein Häftling sei entkommen, hieß es.
Die Schwester eines der Gefangenen, Adriana Feliz, berichtete, sie habe den Leiter des Gefängnisses ausdrücklich vor einem drohenden Krieg zwischen den Mitgliedern der rivalisierenden Banden gewarnt. Dieser habe ihr aber nur geantwortet, dass er nichts tun könne. Die für 620 Häftlinge ausgelegte Anstalt ist laut Behördenangaben mit mehr als 1.000 Insassen erheblich überbelegt.
Im Bundesstaat Paraná brachen am Sonntagmorgen dann 28 Häftlinge aus dem Gefängnis der Stadt Curitiba aus. Mithilfe von Komplizen von außerhalb sprengten sie eine Wand und bedrohten Polizisten und Wachpersonal mit schweren Waffen. Laut den Behörden von Paraná wurden zwei Männer während des Ausbruchs erschossen und vier wieder gefangen genommen.
Die Gewalttaten in den Haftanstalten bringen Präsident Michel Temer, dessen Regierung Untätigkeit vorgeworfen wird, zunehmend in Bedrängnis. Für Dienstag lud das Justizministerium in Brasília alle Verantwortlichen der Bundesstaaten zu einer Krisensitzung ein. Seit Jahresbeginn wurden mehr als 130 Gefangene in Brasilien bei Auseinandersetzungen in den überfüllten Haftanstalten getötet.
In Manaus waren Anfang des Jahres bei 17-stündigen Kämpfen in einem Gefängnis 56 Menschen getötet worden. Viele der Opfer wurden enthauptet und verstümmelt. Seither gab es noch mehrere ähnliche Vorfälle, unter anderem in einer Haftanstalt in Boa Vista, der Hauptstadt des Bundesstaats Roraima, wo 33 Menschen getötet wurden.
Nach offiziellen Angaben beträgt die Belegungsquote in den Haftanstalten derzeit 167 Prozent. Ende 2014 gab es in Brasilien laut einem Bericht des Justizministeriums 622.000 Gefangene. Brasilien hat damit die weltweit viertgrößte Gefangenenzahl nach den USA, China und Russland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen