: Der ganz große Schub
Bob-EM Mit Superspeed im Anschub und in einem extra gefertigten Superbob holt die junge Berlinerin Mariama Jamanka ihren ersten großen Titel: Europameisterin! Garant für den Erfolg ist Anschieberin Annika Drazek
aus Winterberg Klaus-Eckhard Jost
In der Euphorie ist Mariama Jamanka der Satz einfach so rausgerutscht. „Man hat das Gefühl, man startet mit einem Typen. Wahnsinn, was da für ein Speed von hinten kommt“, sagte die Bobpilotin. Neben ihr zuckte Annika Drazek kurz zusammen. „Danke, super. Ich ein Typ!“, beschwerte sich die Anschieberin.
Jamanka war in diesem Moment emotional im Ausnahmezustand. Wenige Minuten zuvor war sie in Winterberg völlig überraschend Europameisterin im Zweierbob geworden. Als Zweite im Weltcup hinter Elana Mayers Taylor (USA). Es ist der erste Titel der 26-jährigen Berlinerin in ihrer dritten Saison als Bobpilotin.
Auch für Annika Drazek kam der Erfolg völlig unerwartet. Lange musste die 21-jährige Gladbeckerin nach einer Operation im linken Fuß pausieren, verpasste allerdings nicht nur deswegen den Saisonstart. In den vergangenen Jahren beschleunigte sie Anja Schneiderheinze. Beide gewannen im vergangenen Winter die Welt- wie auch die Europameiserschaft. Weil die 38-jährige Erfurterin aber schwanger wurde, stand die Anschieberin plötzlich ohne Pilotin da.
„Das ist der Wahnsinn“, kam es aus Jamanka heraus. „Es hat ein bisschen gedauert, bis ich realisiert hatte: Wir sind Europameister.“ Ganz anders die erfolgsverwöhnte Anschieberin: „Ich bin megastolz, ich freue mich unglaublich.“
Mariama Jamanka und Annika Drazek – das deutsche Traumduo für die kommenden Jahre? Möglich, zumindest aus Sicht der Athletinnen. „Ich hätte nichts dagegen, dass es weitergeht“, sagt die ehemalige Sprinterin Drazek, „Mariama möglicherweise auch.“ Nur Bundestrainer René Spies bremst. „Über das nächste Wochenende hinaus ist die Entscheidung noch nicht gefallen“, sagt der Coach. Auf alle Fälle soll Drazek auch noch mit Steffi Schneider fahren. Die Pilotin aus Oberhof hatte sich bei einem Sturz in Winterberg an der Schulter verletzt. Bei den Weltcups am Königssee und Igls sollen die beiden zusammen in einem Bob fahren.
Dabei ist Harmonie und blindes Verständnis in einer Piloten-Anschieber-Beziehung Grundvoraussetzung für Erfolg. Und den will die ehrgeizige Drazek haben. Bei der Weltmeisterschaft am Königssee (17. bis 26. Februar) will sie ihren nächsten Titel auf alle Fälle verteidigen.
Und danach soll dann der nächste Schritt folgen. So sieht es die Planung vor. Nach den Olympischen Spielen im kommenden Jahr will Drazek zur Pilotin aufsteigen. Dass dieser Umstieg eventuell vorgezogen werden könnte, dagegen votierte Bundestrainer René Spies vehement. „Sie hätte keine Chance, auch nur ansatzweise erfolgreich zu sein“, sagt der Coach. Zwei bis drei Jahre dauert eine fundierte Pilotenausbildung. Mariama Jamanka kann dies bestätigen. Auch bei Steffi Schneider dauerte es in etwa so lange. 2014 war sie bei den Olympischen Spielen in Sotschi noch als Anschieberin dabei.
Nicht nur wegen des schnellen Starts war der Auftritt des Duos bemerkenswert. Zum ersten Mal durfte Mariama Jamanka, Tochter eines Gambiers und einer Berlinerin, als Schnellste des ersten Durchgangs als Letzte in den zweiten Lauf starten. Dies lässt manche Hände zittern. „Man darf sich nicht vor Augen führen, was sein könnte“, sagte Jamanka, „sonst steht man am Start mit riesigen Augen und fragt sich: Was mach ich jetzt?“ Für die ehemalige Hammerwerferin stellte sich diese Frage nicht. „Sie hat die beiden Läufe sauber runtergebracht“, lobte Schneiderheinze ihre Nachfolgerin. Nicht nur darüber freute sich die neue Titelträgerin. Sie durfte erstmals den Prototyp aus der Schmiede des Instituts für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) fahren. „Den Schlitten würde ich gerne behalten.“
Denselben Wunsch hat auch Francesco Friedrich, nachdem der mehrmalige Weltmeister in Winterberg ebenfalls Europameister im Zweier geworden war. Auch er im FES-Schlitten. Nach zwei Läufen hatte er 71 Hundertstelsekunden Vorsprung auf Johannes Lochner (Stuttgart), der einen Wallner-Bob pilotierte. Doch daran lag’s nicht allein. „Ich fahre oben eine Linie, die die anderen noch nicht gefunden haben“, so Friedrich.
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