LESERINNENBRIEFE

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Ein toter Gebirgssee

betr.: „Fischzucht im Trinkwasserspeicher“, taz vom 16. 12. 16

Dieser Artikel war, für die taz sehr ungewöhnlich, sehr einseitig. In welchem Punkt Sie unstrittig recht haben, ist, dass der Bodensee ein sehr großer und wichtiger Trinkwasserspeicher für sehr große Gebiete in Baden-Württemberg, Bayern, der Schweiz und Österreich ist. Folgerichtig muss diesem auch ein „besonderer“ Schutz gelten. So bezieht zum Beispiel die ganze Region um Stuttgart das Trinkwasser vom Bodensee. Nicht weil dieses so toll ist und der Bau einer über 100 Kilometer langen Pipeline so billig war, sondern weil das Wasser im Neckar so vergiftet und dreckig war/ist, dass dieses nicht als Trinkwasser genutzt werden kann.

Fakt ist auch, dass der Bodensee in den 70er/80er Jahren kurz vor dem Umkippen stand, weil viel zu viele Abwässer ungeklärt hineingeleitet wurden. Folgerichtig wurden in allen Anrainerstaaten Kläranlagen gebaut und die Wasserqualität ist seitdem wesentlich besser geworden. Diese arbeiten allerdings viel zu gut, sodass quasi keine Nährstoffe in den See mehr gelangen. Schon immer lebten Menschen in der Bodenseeregion, welche ihre Geschäfte in den Bodensee oder einen der vielen Zuflüsse entsorgt haben. Jetzt soll gar nichts mehr hineinkommen, sodass der See sich über kurz oder lang in einen toten Gebirgssee ohne Lebewesen entwickeln wird.

Fischfang, welchen es schon seit Jahrhunderten am Bodensee gibt, wird es dann nicht mehr geben können. Folgerichtig fordern die Fischer eine kontrollierte Zugabe von Nährstoffen, damit die Fische im Bodensee auch weiterhin eine Lebensgrundlage haben. Auch ökologisch ergibt dies absolut Sinn: Wenn es im Bodensee wieder mehr Fische gibt, braucht man den Fisch nicht von weither anzukarren. Bioware direkt vor der Haustüre.

Wenn ich zu den lokalen Fischern gehe, bekomme ich keinen Bodenseefisch mehr zu kaufen. Der Hauptgrund, warum den Fischern und Fischen nicht geholfen wird, ist aber: Sie haben im Stuttgarter Landtag keine Lobby. Diese ganze Diskussion über Trinkwasserschutz ist nämlich so lange scheinheilig, wie auf dem Bodensee noch Boote mit Verbrennungsmotoren (während der Interboot sogar Rennboote) auf dem Bodensee fahren dürfen.

Viele Stuttgarter kommen über das Wochenende an den Bodensee in eine der zahlreichen Ferienwohnungen und genießen mit dem Segelboot das schöne Wetter bei absoluter Flaute auf dem See. Und wie sind sie dorthin gekommen? Mit dem Flautenschieber. Der Bodensee ist nämlich eines der miesesten Segelgebiete weltweit, da es quasi nie Wind hat. Mario Stein, Bodensee

Dieser Oberlehrerton

betr.: „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger“, Weihnachtsbotschaft eines taz-Lesers, taz vom 24./25./26. 12. 16

„Gott“ kam mit zehn Geboten hin,

Doch „Der Herr“ Ritz aus Groß-Berlin

Empfiehlt uns endlos Tun und Lassen.

Es ist nicht zu fassen.

Dieser Oberlehrerton

Hat in Deutschland Tradition

(Ich glaub, ich hab ihn selber schon).

Die taz, die nennt das „zauberhaft“.

Ich finde so was zweifelhaft.

Drum eine Frage nach Berlin:

„Haben Sie Wien

Schon mal bei Nacht gesehn?“

Jedoch:

Vielleicht erklärt Herr Ritz,

Sein Text sei nur ein Witz,

Sei eine Parodie –

Dann ist er ein Genie.

H. W. Heinrich, Bissendorf

Kleinkleckersdorfland

betr.: „Immerwährender Zankapfel“, taz vom 27. 12. 16

Mit seiner kenntnisreichen Rezension der eurasischen Geschichte „Licht aus dem Osten“ weist Michael Brumlik ganz zu Recht darauf hin, dass der Blick auf die östlichen Kulturen fehlt. Es hängt entscheidend mit den Schulcurricula zusammen: Die alte Lingua franca des Westens, Latein, wurde herausgenommen ebenso wie die Sprache der Antike, Griechisch. Die Folge des sozialdemokratischen Missverständnisses, Bildungsschranken damit abzusenken, ist eine zunehmende Verflachung in der Kenntnis der west- und osteuropäischen Kulturgeschichte.

Angesagt wäre, mindestens Latein wieder aufzunehmen, dann selbstverständlich Englisch, eine romanische Sprache, Russisch und Chinesisch (oder Japanisch). Fünf obligatorische Sprachen sind mit modernen didaktischen Mitteln und Austauschprogrammen (Russland, China usf.) zu meistern, wobei Russisch und Chinesisch die Sprachen unserer östlichen großen Nachbarn sind, die, einmal abgesehen von ihren Demokratiedefiziten, immer größere Bedeutung erlangen werden. „Mitgebrachte Sprachen“ ließen sich als Ersatz für eine der genannten fünf Sprachen anerkennen und die neuen Generationen sind jetzt schon mindestens dreisprachig. Ich weiß aus eigener Lehrerfahrung (Chinesisch), dass junge Menschen das Potenzial haben, die sprachliche Globalisierung zu leben. Wir existieren nun einmal auf der vergleichsweise kleinen Westspitze Eurasiens und sind bei Gott nicht der Nabel der Welt, und mit der Überwindung von Sprachgrenzen fallen perspektivisch alle anderen, kulturelle Entwicklung hemmenden Grenzziehungen, ganz zu schweigen von der dumpfrechten Einkesselung in ein Kleinkleckersdorfland D. Rainald Simon, Amöneburg