piwik no script img

UÇK-Mann Haradinaj in Haft

Frankreich Wieder einmal holt den Kosovo-Politiker Haradinaj die Vergangenheit ein. Wegen eines serbischen Haftbefehls hat ihn die französische Polizei festgenommen

Aus Paris Rudolf Balmer

Der frühere Premierminister von Kosovo und Ex-Chef der Befreiungsarmee UÇK, Ramush Haradinaj (48), ist am Mittwochabend auf dem Flugplatz Basel-Mülhausen von der französischen Grenzpolizei festgenommen worden. Grundlage der Festnahme ist ein von Serbien erlassener internationalen Haftbefehl. Haradinaj war aus Prishtina, der Hauptstadt Kosovos, auf dem Euro-Airport im Elsass eingetroffen. Über die Gründe seiner Reise wurde nichts bekannt gegeben, doch man darf vermuten, dass er sich in die Schweiz begeben wollte, wo er von 1989 bis 1997 im Exil gelebt hatte.

Die Botschaft Kosovos in Paris machte am Donnerstag keinerlei Angaben zu dieser Festnahme, doch aus Prishtina verlautete aus dem Justizministerium, es werde alles getan, um eine rasche Freilassung zu erwirken. Die Regierung kritisierte die Festnahme als ungerechtfertigt und „primitiven Akt“.

Aus kosovarischer Sicht stellt insbesondere der serbische Haftbefehl keine ausreichende Grundlage für die Festnahme dar. Haradinaj war deswegen bereits 2015 kurz in Slowenen inhaftiert worden. Von 2004 bis 2005 war der Politiker erster Regierungschef des Kosovo. Unabhängig geworden ist das Kosovo allerdings erst im Jahre 2008. Haradinaj gilt heute als politischer Gegner von Präsident Hashim Thaçi und ist Oppositionsführer im Parlament. Der serbische Regierungschef Aleksandar Vučić forderte am Donnerstag in Belgrad nichtsdestotrotz die Auslieferung Haradinajs an Serbien. Die EU dränge ihren Kandidaten Serbien stets, rechtsstaatliche Verfahren einzuhalten, sagte Vučić. Jetzt werde man sehen, ob Frankreich das auch tun werde.

In Frankreich muss nun die Anklagekammer des Berufungsgerichts von Colmar entscheiden, was mit dem ehemaligen Premierminister geschehen soll. Diese auch diplomatisch strittige Frage wird, wie auf Anfrage der taz in Colmar mitgeteilt wurde, von der französischen Justiz erst nächste Woche beurteilt. Bei der Erwägung müssen verschiedene Punkte in Betracht gezogen werden. Namentlich die Frage, ob der serbische Haftbefehl von 2004 formell und inhaltlich akzeptiert werden muss. Serbien möchte Haradinaj wegen Kriegsverbrechen den Prozess machen. Ihm wird angelastet, die von ihm angeführte Einheit der „Schwarzen Adler“ habe während des Unabhängigkeitskriegs in der Region Decani mehrere Dutzend serbische Zivilisten und Gegner gefoltert und ermordet.

Da Haradinaj aber 2008 vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag in allen 37 Anklagepunkten wegen der Anschuldigung von Kriegsverbrechen mangels Beweisen freigesprochen worden ist, muss die französische Justiz insbesondere prüfen, ob er jetzt nicht im Auslieferungsbegehren derselben Untaten beschuldigt wird, was nicht legal wäre. Auch wären politische Motive als Auslieferungsgrund nicht zulässig.

Unabhängig von der Beurteilung des Haftbegehrens musste Haradinaj innert 24 Stunden in Colmar einem Haftrichter vorgeführt werden. Dieser hat grundsätzlich die Möglichkeit, ihn bis zu einem inhaltlichen Entscheid in Haft zu behalten oder ihn vorher ohne weitere Auflagen freizulassen; er könnte ihm aber auch den Pass entziehen und ihn zwingen, bis zur Verhandlung unter polizeilicher Kontrolle in Colmar zu bleiben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen