Neues Klimaprogramm: Indien geht die Kohle aus

Das zweitbevölkerungsreichste Land der Welt will die Treibhausgasemissionen schneller reduzieren als in Paris versprochen. Warum?

Zwei Männer tragen ein Solarpanel

Das Tuch dient dem Schutz vor Staub bei der Arbeit: Ein Solarpanel in Indien wird ausgetauscht Foto: reuters

SEOUL taz | Bis Herbst 2015 zählte Indien als weltweit drittgrößter CO2-Verursacher zu den unbelehrbaren Klima-Sorgenkindern. Dann legte Ministerpräsident Modi erstmals eine selbstverpflichtende Zielsetzung vor, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens ein Drittel zu verringern.

Der eigentliche Paukenschlag ertönt jedoch erst jetzt, über ein Jahr später: In einem Energieplan kündigte die Regierung an, Indien werde die in Paris vereinbarten Klimaziele nicht nur drei Jahre früher erreichen, sondern auch um rund die Hälfte übererfüllen. Bereits in zehn Jahren möchte Asiens drittgrößte Volkswirtschaft 57 Prozent des Energieverbrauchs aus nichtfossilen Quellen generieren.

Das zweitbevölkerungsreichste Land der Erde liegt nun im aktuellen Klimaschutz-Index auf dem 20. Platz – neun Ränge vor Deutschland. Das Pariser Abkommen fordert, dass der Kohlendioxid-Ausstoß bis 2030 um 40 Prozent gesenkt werden muss.

„Für Kenner der Materie kommt die Ankündigung nicht überraschend“, sagt Sunjoiy Joshi, Leiter der in Delhi ansässigen Denkfabrik Observer Research Foundation. Zwischen 2011 und 2015 habe sich Indiens Kohlegewinnung verdoppelt. Mit den verbleibenden Reserven und Förderkapazitäten werde die kohlebasierte Stromerzeugung bald an ihre Grenzen stoßen. Zugleich steige der Energiebedarf an, wenn die Wirtschaft jährlich um 7 Prozent wachse. Noch immer sind über 270 Millionen Haushalte nicht an das Stromnetz angeschlossen.

Mehr Wind- und Solarenergie

Deshalb setzt Indien nun verstärkt auf Wind- und Solarenergie. Vorangetrieben wird der Umstieg von Investitionen aus der Privatwirtschaft. Allein in den vergangenen zwölf Monaten kamen etliche Mammutprojekten zustande: Im November ging im südindischen Tamil Nadu das weltgrößte Solarkraftwerk ans Netz. Die 648- Megawatt-Anlage wurde von der Adani-Gruppe errichtet, dem größten privaten Stromerzeuger Indiens. Die Anlage umfasst eine Fläche von der Größe von Berlin-Mitte. Der französische Energieriese EDF hat angekündigt, insgesamt 2 Milliarden US-Dollar in erneuerbare Energieprojekte in Indien zu investieren. Japans Softbank hat sich gar gemeinsam mit Foxconn aus Taiwan und dem indischen Konzern Bharti zu einem Investitionspaket von 20 Milliarden US-Dollar verpflichtet.

Das neue Engagement für grüne Energien dürfte auch durch die krasse Luftverschmutzung motiviert sein: Im November erlebte Neu-Delhi den schlimmsten Smog seit 17 Jahren. Bauarbeiten mussten für fünf Tage ausgesetzt werden, auch die Schulen blieben zeitweise geschlossen. Mehrere Tageszeitungen bezeichneten die indische Hauptstadt damals in einem makabren Vergleich als „riesige Gaskammer“. Die Feinstaubwerte sprengten den Höchstwert von 999 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, den die dreistellige Skala darzustellen vermag. Das ist mehr als das 100-Fache dessen, was die Weltgesundheitsorganisation für unbedenklich hält.

Um die Umweltverschmutzung einzudämmen, wird jedoch auch Atomkraft immer bedeutender für Indien. Relativ gesehen steigt die Erzeugung von Atomstrom gar am schnellsten. In den nächsten 15 Jahren wird sie rund 63 Gigawatt zum Energiemix beitragen – mehr als zehnmal so viel wie derzeit.

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