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Metamorphose Glasklar ist Whiskey, wenn er abgefüllt wird. Über viele Jahre entwickelt er Farbe und Geschmack. Ein Besuch in der Locke’s Distillery in MittelirlandDas Fass macht den Geschmack

aus Kilbeggan Ralf Sotscheck

Man braucht einiges Startkapital, um einen Whiskey zu machen. Denn seine Herstellung besteht vor allem aus Warten. „Geld kommt erst mal nicht herein und die Lagerung kostet einiges“, sagt Noel Sweeney, der Brennmeister in Locke’s Distillery im mittelirischen Kilbeggan. „Wir haben deshalb anfangs nur tausend Kisten produziert.“ Mehr als zehn Jahre dauert es, bis er zu voller Reife gelangt ist.

Der 2009 verstorbene US-Schauspieler Ed McMahon hat einmal gesagt: „Gott hat Whiskey erfunden, um die Iren davon abzuhalten, die Welt zu regieren.“ Auf Irisch heißt er „Uisce Beatha“, Wasser des Lebens. Die Engländer haben es zu Whiskey verballhornt.

Um sich überhaupt „Whiskey“ nennen zu dürfen, muss die Spirituose mindestens drei Jahre reifen. Wenn der junge Whiskey in die Fässer kommt, ist der Schnaps noch nicht bernsteinfarben, golden oder braun und erst recht nicht reich im Aroma. Er ist klar und schmeckt spritig. 60 bis 80 Prozent des Geschmacks entstehen bei der Lagerung im Holz. Die scharfen, metallischen Aromen gehen verloren, das Getränk gewinnt an Farbe.

Je länger er im Fass liegt, desto mehr reichert sich Whiskey mit den aromatischen Anteilen des Holzes an: darunter Gerbstoffe, Zucker und vanilleähnliche Aromen. Auch der Torf, mit dem die Fässer ausgebrannt werden, hat einen Einfluss, sagt Noel Sweeney. Und das Mikroklima bei der Lagerung. Die Fässer atmen. Pro Jahr verdunstet bis zu ein Prozent des Inhalts. Sweeney bevorzugt Bourbon-Fässer.

„Der heutige zwölfjährige Whiskey wurde 2004 hergestellt“, erzählt Brennmeister Sweeney. „Damals hatten wir nur sechs Wochen für den Destillationsprozess.“ Heutzutage ist dafür länger Zeit, weil sich der alte Whiskey gut verkauft.

Sweeney, ein schlanker Mann von Ende 50, ist durch Zufall zum Whiskeybrenner geworden. „Nach dem Abitur bin ich auf die Technische Hochschule in Sligo gegangen und habe analytische Chemie studiert“, sagt er. „Ich habe danach bei einem Unternehmen im Westen Irlands als Labortechniker gearbeitet und Glucosesirup hergestellt.“ Weil einer seiner Kollegen in der Brennerei der Firma nicht zurechtkam, tauschte er den Arbeitsplatz mit ihm. „Ich habe dann reinen Alkohol hergestellt, der an eine Wodkafirma verkauft wurde.“

Als John Teeling 1988 die Kilbeggan-Brennerei übernahm, holte er Sweeney als Qualitätskontrolleur. „Ich habe nämlich einen guten Gaumen“, sagt er. 1995 stand das Unternehmen kurz vor der Pleite, einige Mitarbeiter mussten entlassen werden, der Brennmeister kündigte. „So rutschte ich in diesen Bereich.“

Die Qualität der Fässer variiert, sogar bei gleichen Voraussetzungen. Whiskey ist eben ein natürliches Produkt

Mit welcher Erwartung geht man an die Fässer heran, wenn der Whiskey nach zwölf Jahren in die Flaschen abgefüllt wird? „Man probiert natürlich im Lauf der Jahre regelmäßig und weiß ungefähr, was man erwarten kann“, sagt Sweeney. „Aber es kommt immer wieder vor, dass ein Fass besonders gut gelungen ist, ein anderes nicht so, obwohl man beide gleichbehandelt hat. Es ist eben ein natürliches Produkt.“

Seine Aufgabe ist es, die Fässer so zu mischen, dass der Geschmack von Jahr zu Jahr gleich bleibt.

Nächstes Jahr feiert die Brennerei ihren 260. Geburtstag, sie gilt als älteste kontinuierlich lizenzierte Destillerie der Welt. Dass sie den Geburtstag erleben darf, erschien im Laufe ihrer Geschichte des Öfteren unsicher. Matthias McManus hatte die Brennerei 1757 gegründet. „Damals soll es in Irland mehr als 1.200 Destillerien gegeben haben“, sagt Noel Sweeney. McManus vererbte seinen Besitz später an seinen Sohn, doch der war Mitglied der „United Irishmen“ und wurde für seine Teilnahme am Aufstand gegen die englische Herrschaft 1798 hingerichtet.

Die Familie Codd, die Kilbeggan übernahm, konnte zunächst expandieren, doch ab 1838 erhielt die Abstinenzlerbewegung starken Zulauf, was für die Alkoholproduzenten verheerende Folgen hatte. Die Brennerei verfiel, die Codds verkauften sie an John Locke, der mit seinen Brennereien in Tullamore und Monasterevin bereits gescheitert war.

In Kilbeggan hatte er zunächst mehr Glück, weil die irische Wirtschaft einen kleinen Aufschwung erlebte. Doch der irische Unabhängigkeitskrieg 1920 und die Prohibition in den USA machten der Brennerei schwer zu schaffen. Bis 1954 versuchten Lockes Töchter Florence und Mary, die Produktion aufrecht zu erhalten, dann warfen sie das Handtuch. „Zum Glück hatte eine Handvoll Bewohner von Kilbeggan die Weitsicht, die Produktionsstätte in Schuss zu halten und die Brennlizenz jedes Jahr zu erneuern“, meint Sweeney.

Das zahlte sich 1988 aus, als Teeling, der in Cooley im Nordosten die erste unabhängige Brennerei in Irland seit mehr als hundert Jahren etabliert hatte, Kilbeggan übernahm, zunächst als Lagerstätte, später wurde auch die Whiskey-Produktion wiederaufgenommen.

„Zum 250. Geburtstag kam 2007 ein 15 Jahre alter Whiskey auf den Markt“, sagt Sweeney. „Es war das erste Mal, dass ich alleine für einen Whiskey verantwortlich war, und er gewann einen Preis als bester irischer Whiskey. Das war der bisherige Höhepunkt meiner Karriere.“

Im Dezember 2011 wurde die Brennerei vom US-Konzern Jim Beam für 73 Millionen Euro gekauft. „Die Zukunft ist gesichert“, sagt Sweeney. „Zumindest bis zu meiner Pensionierung.“

Die Brennerei steht Besuchern offen, die Führungen sind wie eine Zeitreise in die Anfänge der Whiskeyproduktion. Die wieder in Betrieb genommene „Pot Still“, eine Kupferbrennblase aus dem frühen 18. Jahrhundert, ist die älteste der Welt. Nebenan, hinter Glas, lagern einige Fässer.

Auf einem steht der Name des US-Präsidenten Barack Obama, abgefüllt zu seinem Amtsantritt im Januar 2009. „Als er auf Staatsbesuch in Irland war, haben wir ihm eine Flasche aus seinem Fass überreicht“, sagt Sweeney. Für Donald Trump will er kein Fass reservieren.

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