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De Maizière: Zu wenige Täter von Köln verurteilt

Silvester CDU-Innenminister kritisiert Justiz nach sexuellen Übergriffen vor einem Jahr

In nur rund 30 Fällen kam es bislang zu einer Verurteilung

KÖLN dpa | Ein Jahr nach den massenhaften Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) scharfe Kritik an Ermittlungsbehörden und Justiz geübt. „Es ist völlig unverständlich, dass nach einer so großen Anzahl an sexuellen Übergriffen so wenige Täter verurteilt worden sind. Das empfinde ich als Problem“, sagte de Maizière der Bild am Sonntag.

Die Justiz solle „hier in aller Härte urteilen“, forderte er. Außerdem hätten die Verfahren viel zu lange gedauert, rügte der Minister. „Das führte zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass nur wenige Straftaten hart verfolgt und verurteilt wurden.“

Zu Silvester 2015 hatten mehrheitlich nordafrikanische Männer rund um den Kölner Hauptbahnhof Hunderte Frauen umzingelt, bestohlen und sexuell bedrängt. Es soll auch zu mehreren Vergewaltigungen gekommen sein. Die Polizei war mit der Eskalation der Gewalt überfordert.

Mehr als 1.200 Strafanzeigen gingen ein. In mehr als 500 Fällen handelte es sich den Vorwürfen nach zwar um sexuelle Übergriffe. Auch wurden rund 330 Beschuldigte namentlich ermittelt, gegen sie wurden Verfahren eingeleitet. Einige stellte man allerdings inzwischen wieder ein, weil kein hinreichender Tatverdacht mehr bestand oder die Verdächtigen nicht auffindbar waren. In rund 30 Fällen kam es zu einer Verurteilung, darunter sind aber viele Urteile noch nicht rechtskräftig. Nur bei drei Verurteilungen gab es einen Bezug zu einem Sexualdelikt.

Aus den Fehlern will Kölns Polizei für die kommende Silvesternacht Konsequenzen ziehen: Es werden zehn Mal so viele Beamte eingesetzt wie im vergangenen Jahr. Allein 1.500 Beamte der Landespolizei sollen die Feiern absichern. Die Bundespolizei will mit etwa 800 Beamten in Bahnhöfen und Zügen in Nordrhein-Westfalen unterwegs sein. Böller und Raketen sind an vielen öffentlichen Orten verboten. Am kommenden Mittwoch wollen die Stadt Köln und die Polizei ihre Vorbereitungen abschließend der Öffentlichkeit vorstellen.

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) verweist vor dem Hintergrund der berüchtigten Silvesternacht auf der Kölner Domplatte auf Folgen für die Debattenkultur in Deutschland. „Ein Ergebnis der Silvesternacht ist, dass wir alle realistischer geworden sind. Wir sind heute freier, Dinge anzusprechen“, sagte Reker der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Eine offene Diskussion dürfe jedoch nicht dazu führen, die Gesamtheit der Flüchtlinge dafür verantwortlich zu machen, was ein kleiner Teil begangen habe.

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