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Presse-Einschränkung erzürnt Polen

Parlament Polens regierende Nationalkonservative schränken die Pressefreiheit im Warschauer Parlament ein. Den Sturm der Entrüstung qualifiziert der PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński anschließend als „Rowdytum“ ab

Aus Warschau Gabriele Lesser

Reden an die Nation halten Polens Premierminister und Präsidenten normalerweise nur vor wichtigen Fest- und Gedenktagen. Dass Beata Szydło, Polens seit einem Jahr regierende Premierministerin, am Samstag voller Empörung eine Fernsehansprache „an die Nation“ hielt, überraschte denn auch viele Zuschauer.

Grund für ihre Rede war nicht das bevorstehende Weihnachtsfest, sondern eine handfeste Parlamentskrise. Am Freitag hatte Parlamentspräsident Marek Kuchcinski verkündet, dass ab dem 1. Januar der Zugang von Journalisten zum Plenarsaal massiv einschränkt werde. Sie dürften künftig keine Fotos oder Videos mehr machen – das sei dem offiziellen Videodienst vorbehalten. Als ein Oppositionspolitiker als Protest ein Blatt mit den Wort „Medienfreiheit“ in die Kameras hielt, verwies Kuchcinski ihn des Saales. Der Tumult, der dann ausbrach, hält bis heute an.

Rund 30 Oppositionspolitiker besetzten die Rednertribüne, sangen die Nationalhymne und forderten lautstark mehr Medienfreiheit ein. Vor dem Parlamentsgebäude versammelten sich mehr und mehr Demonstranten und blockierten die Ausgänge. Die nationalpopulistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sollte so dazu gezwungen werden, den Maulkorbbeschluss zurückzunehmen.

Derweil beschloss die PiS im sogenannten Säulensaal das Budget für das Jahr 2017. Ob diese Abstimmung legal war, wie die Regierungspartei behauptet, kann nicht festgestellt werden, da weder Journalisten noch die Opposition im Saal anwesend waren. Einige PiS-Abgeordnete scheinen aber die Anwesenheitslisten erst nach der Abstimmung unterzeichnet zu haben. Ein massives Polizeiaufgebot räumte später die Ausgänge des Parlaments frei.

„Opposition ruiniert uns als Nation und Gemeinschaft“

Regierungschefin Beata SzydŁo

Am Samstagabend beschuldigte Beata Szydło in ihrer Ansprache an die Nation die Opposition. Sie allein sei für die Eskalation des Streits verantwortlich. Sie vernichte das öffentliche Vertrauen und die Solidarität, zerstöre die Demokratie und ihre Grundsätze. Die Opposition, so Szydło „ruiniert uns als Nation und Gemeinschaft“.

Am gleichen Abend erkläre Donald Tusk, Polens Expremier und seit nunmehr zwei Jahren EU-Ratspräsident in Breslau, dass er „von denen, die die wahre Macht in unserem Land ausüben, Respekt für die Bevölkerung und die verfassungsrechtlichen Prinzipien und Werte“ erwarte. Tusk dankte den regierungskritischen Demonstranten, die sich seit Monaten für „europäische Standards der Demokratie“ in Polen einsetzen.

Auch Polens Staatspräsident Andrzej Duda ergriff das Wort und bot an, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Die Oppositionsführer nahmen dieses Angebot an. Auch mit PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński will Duda reden. Der hatte den Oppositionspolitikern, die sich für die Medienfreiheit einsetzten, „Rowdytum“ vorgeworfen und ihnen „mit Konsequenzen“ gedroht.

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