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Tauziehen um die Evakuierung

SYRIEN Tausende warten auf die Abfahrt aus Ost-Aleppo. Der Abtransport schiitischer Verletzter aus belagerten Dörfern in der Provinz Idlib ist laut Staatsmedien Bedingung

Auch Kämpfer warten in Ost-Aleppo auf ihre Evakuierung Foto: Abdalrhman Ismail/reuters

BEIRUT/AMMAN rtr | In Syrien kommt die Wiederaufnahme der Evakuierung Ost-Aleppos nach zweitägiger Unterbrechung nur schleppend in Gang. Anwohner dürften den zerstörten Osten der Stadt nur dann verlassen, wenn auch Menschen aus den von Rebellen belagerten Schiitendörfern al-Fua und Kefraja in der Provinz Idlib gebracht werden könnten, berichtete das syrische Staatsfernsehen am Sonntag.

Islamistische Rebellen verhinderten jedoch zunächst den Abtransport Verletzter aus den Orten, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Mehrere für die Evakuierung vorgesehene Busse wurden demnach angegriffen und in Brand gesetzt.

Im Osten Aleppos versammelten sich rund 15.000 Menschen auf dem zentralen Platz, um die Abfahrt der Evakuierungsbusse nicht zu verpassen. Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt verbrachten viele von ihnen die Nacht im Freien.

Zunächst sollten rund 1.200 Zivilisten Ost-Aleppo verlassen dürfen – im Gegenzug für eine ähnliche Zahl von Evakuierungen aus den beiden Orten in Idlib, berichtete das staatliche syrische Fernsehen. Sobald die Dorfbewohner sicher in Gebieten unter Regierungskontrolle angekommen seien, würden Kämpfer und weitere Zivilisten aus Ost-Aleppo herausgebracht.

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, im Osten Aleppos seien unter Aufsicht des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes bereits die ersten Evakuierungsbusse eingetroffen, um die restlichen dort verbliebenen Kämpfer und Zivilisten abzuholen.

Bei Temperaturen unter null Grad verbringen viele die Nacht im Freien

„Jeder wartet auf die Evakuierung, alle wollen einfach nur raus“, sagte Salah al-Attar, ein früherer Lehrer, der mit seinen fünf Kindern, Ehefrau und Mutter auf dem Platz ausharrte. Bei den Wartenden handle es sich um einen Großteil der Zivilisten, die noch in der Rebellenhochburg Ost-Aleppo seien, erklärten mehrere Anwohner. Es seien hauptsächlich die Familien der Kämpfer, andere Zivilisten und einige Kämpfer selbst. Jede Familie habe eine Nummer erhalten, die ihr Zugang zu den Bussen gewähre, sobald diese einträfen. Die UNO schätzt, dass sich noch etwa 30.000 Menschen im Osten Aleppos aufhalten. Nach früheren Angaben des Roten Kreuzes könnte die Evakuierung mehrere Tage dauern.

In New York wollte der UN-Sicherheitsrat am Sonntag über einen von Frankreich vorgelegten Resolutionsentwurf abstimmen, der den Einsatz von UN-Beobachtern bei der Evakuierung Ost-Aleppos ermöglichen soll. Sie sollen überprüfen, ob der Schutz von Zivilisten gewährleistet wird. Unklar war das Abstimmungsverhalten Russlands, das mit seinem Veto-Recht bereits sechs UN-Resolutionen zu Syrien zu Fall gebracht hat.

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