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Die Rückkehr des Glam-Rockers

NETZWERKE Noch sitzt der „President“ der Hells Angels, Frank Hanebuth, in Spanien fest. Geprobt hat er seine Rückkehr nach Niedersachsen aber schon im September. Der Stadt könnte damit eine Neuauflage der „Maschee-Mafia“ drohen

„Angels Place“: hier lag bis zu ihrem Verbot das Hauptquartier der Hells Angels in Hannover; unten: Boss Frank Hanebuth vor seiner Ausreise nach Mallorca Fotos: Alexander Körner/dpa, Jochen Lübke/dpa

von Andreas Wyputta

Der einwöchige Heimaturlaub soll für Frank Hanebuth zum Triumphzug werden. Ausgerüstet mit diversen Motorrädern und einer vierachsigen Stretchlimousine der Geländewagenmarke Hummer fährt am 11. September diesen Jahres deshalb eine interessante Truppe am Flughafen Hannover-Langenhagen vor: Rund zwei Dutzend Hells Angels, teils in auffallend blonder Damenbegleitung, aber auch Hanebuths Frau, sein Sohn und seine Mutter wollen Europas ehemals mächtigsten Rocker nach mehr als drei Jahren erzwungener Abwesenheit in Hannover zurückbegrüßen.

Denn der Höllenengel darf nur für einen Kurztrip an die Leine: Im Juli 2013 hatte die spanische Polizei eine Luxus-Finca auf Mallorca durchsucht – und den auf die Balearen ausgewanderten Hanebuth festgenommen. Die Vorwürfe gegen den gerade zum Chef der dortigen Hells Angels gekürten Ex-Profiboxer hatten es in sich: Von Menschenhandel, Zuhälterei, Freiheitsberaubung, Geldwäsche, Drogenhandel, Erpressung ist die Rede. In Hanebuth sahen die spanischen Ermittler den Kopf einer kriminellen Vereinigung, mehr nicht.

Satte zwei Jahre wanderte der Rocker in den Knast. Gegen 60.000 Euro Kaution durfte der „Lange“, wie der zwei Meter große Hanebuth gern genannt wird, das Hochsicherheitsgefängnis von Cadiz erst im Sommer 2015 verlassen. Zuvor hatte er dort im Knastladen gearbeitet. Obwohl Hanebuth alle Beschuldigungen zurückgewiesen hat, muss er sich regelmäßig bei den Behörden melden, darf das Land nicht verlassen. Vor einem spanischen Gericht verhandelt werden dürfte sein Fall spätestens im Mai 2017, da sonst alle Vorwürfe fallengelassen werden müssen.

Am 11. September 2016 aber haben ihm die Spanier überraschend eine Art Urlaub gewährt – der Mann wird am nächsten Tag 52. Am Flughafen Langenhagen treffen an diesem Sonntag euphorisierte Höllenengel auf einen angetrunkenen Hanebuth: „Schon ein paar gezwitschert“ habe er im Flugzeug, sagt er. TV-Teams filmen, Spiegelreflexkameras klicken, sofort bekommt der Rockerboss eine „Kutte“ der Hells Angels übergezogen. „North Gate Hannover“ steht darauf. Mit Motorradeskorte und in Kolonne geht es in der weißen Stretchlimo in Richtung Innenstadt. Um den Trupp schneller zu machen, sperren Hanebuths Männer Seitenstraßen ab, die Polizei greift nicht ein.

Ziel ist das Steintor, das angebliche „Vergnügungsviertel“ Hannovers: An der Reitwall-, Scholvin- und Reuterstraße ballen sich Bordelle mit Namen wie „Eros Corner“, „Sexworld“ oder „Thai Eros“. Schneller Sex ist am Steintor ab 30 Euro zu haben – dem Bordellbetreiber Hanebuth war nie nachzuweisen, dass die Prostituierten in seinen Häusern sich das nicht freiwillig antaten. Als sein Verdienst gilt dagegen, das Rotlicht mit Kneipen wie dem „Bayernstadl“ oder dem „Rocker“ nach dem Vorbild der Hamburger Reeperbahn aufgepeppt zu haben. Auch Hannovers Partyvolk schätzt mittlerweile zumindest in Teilen das verucht-verrufene Image der Kneipen und Bars am Steintor.

Im September wird Hanebuth hier vor der „Sansibar“ von einer ebenfalls euphorisierten, mehrere 100 Menschen umfassenden Menge wie ein Star empfangen. Inszeniert ist der Auftritt vom „Sprecher“ der Hells Angels in Deutschland, Rudolf „Django“ Triller, der kaum von Hanebuths Seite weicht. Mit dabei ist auch sein Anwalt Götz von Fromberg. Mit hochrotem Kopf sagt der einem Team von Spiegel TV in die Kamera, er sehe keinerlei „Beweise“ für die Vorwürfe der Spanier: „Ich hab‘s immer wieder gesagt – ich sehe nichts.“

Dabei ist Fromberg nicht irgendwer. Der Duzfreund von Ex-Kanzler Gerhard Schröder gilt vielen als Symbol der Symbiose zwischen Rocker- und Rotlichtmilieu und den Eliten aus Politik, Wirtschaft und Kulturbetrieb, die Hannover lange geprägt haben soll. Der „Promianwalt“ vertritt nicht nur den gelernten Zimmermann Hanebuth seit mehr als drei Jahrzehnten – er arbeite „in Bürogemeinschaft“ mit Schröder, der seinen Beruf „nach Artikel 66 Grundgesetz“ zur Zeit nicht ausübe, hieß es während der Kanzlerschaft des Sozialdemokraten auf jedem Briefkopf aus Frombergs Kanzlei.

Zu den „Herrenabenden“ des Juristen kamen nicht nur Wirtschaftsbosse wie der einstige Preussag- und TUI-Chef Michael Frenzel und der Finanzvertriebler Carsten Maschmeyer, der dank Schröders privat organisierter Altersversorgung und „Riester-Rente“ zum Multimillionär wurde. Auch Musiker wie Udo Lindenberg oder „Scorpions“-Sänger Klaus Meine trafen sich in Frombergs Partykeller zum „Krökeln“, wie Tischfußball in Hannover genannt wird.

Hanebuth durfte zwar erst wiederkommen, als Schröder nicht mehr Regierungschef war. In Schlagzeilen, die nicht vom lokalen Madsack-Verlag (Hannoversche Allgemeine, Neue Presse) produziert wurden, war trotzdem von der „Hannover-Connection“ oder gar der „Maschsee-Mafia“ die Rede. Die es nie gegeben habe, gab Fromberg daraufhin der Frankfurter Allgemeinen zu Protokoll. „In Hannover ist es so: Man kennt viele Leute, man trifft viele Leute“, sagte der Schröder-Kumpel aber auch – das liege „daran, dass Hannover so überschaubar ist“. Und der Lehrersohn Hanebuth, der stamme „aus gutem Haus“ und könne sich „prima benehmen“.

Tatsächlich konnte die Justiz Hanebuth, der schon im Jahr 2000 wegen Erpressung, Menschenhandel und Zuhälterei in Hamburg vor Gericht stand, bisher kaum belangen. In Deutschland saß der Ex-Boxer lediglich dreieinhalb Jahre in Haft, weil er einen Konkurrenten halb totgeschlagen hat. Dabei hatte die Elitetruppe GSG9 sein Anwesen in der Wedemark im nördlichen Speckgürtel Hannovers 2012 sogar per Hubschrauber gestürmt.

Gestützt auf die Aussage eines dubiosen Kronzeugen, suchten die Beamten nach Beweisen, der Rockerboss habe einen Kieler Türsteher umbringen lassen – und brachten Hanebuth, der damals Hannovers Hells Angels anführte, so erst auf die Idee, sein Glück auf Mallorca zu versuchen: „Jetzt ist Ende im Gelände“, verkündete der – und erklärte die Rockertruppe zumindest in Hannover für aufgelöst.

Heute hat Hanebuth von Spanien verständlicherweise genug. Zwar hat er am Ballermann ein Boxstudio aufgemacht, träumt aber von einer Rückkehr nach Hannover: „Schön, wieder zu Hause zu sein. In meiner Stadt“, sagt er im September noch am Flughafen.

Welche Rolle er bei den Hells Angels spielen wird, ist schon heute klar: Als er am Steintor aussteigt, prangt bereits ein „Patch“ genannter Aufnäher auf seiner „Kutte“, dass ihn wieder als Boss ausweist: „President“.

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