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Der Schlund

Fotografie Mark Peterson hat im US-amerikanischen Wahlkampf ein Gruselkabinett vorgefunden

Mark Peterson, Political Theatre, 2016 Foto: Aus dem besprochenen Band

von Lennart Laberenz

Hält man den Bildband „Political Theatre“ von Mark Peterson in der Hand, muss man über Kontraste nachdenken: Seine Bilder aus dem US-amerikanischen Wahlkampf sind in den Bereich gezogen, der nur noch ruppig zwischen Schwarz und Weiß trennt, es gibt wenig Grauwerte. Das reduziert die Palette des Ausdrucks, drängt zum klaren Bekenntnis, zwingt Gesichter, Personen, Gesten zu einer fast stilisierten Härte.

Im Nachhinein ergibt die schwere Düsternis in den Bildern, die alles in eine theatrale Stimmung hüllt, doch ihren bösen Sinn. Da wölbt sich der Himmel als undurchdringlicher Schatten über den Republikaner Chris Christie, hängt schwer über einem Trump-Flugzeug, dennoch reißt es die Jüngerschaar davor gen Landebahn. Dunkel dräut es um die Bill­board-­Aufforderung „TO KEEP OUR GUNS VOTE!!! REPUBLICAN“. Selbst auf der Toilette umgibt ein düsterer Schatten zwei Männer, sie stehen mit Gewehren vor dem Urinal.

Düsternis umfasst Pro-Trump-/Against-Trump-Rangeleien, Arrangements von Stühlen, Wahlkampfpostern, Hallenschmuck: Noch aus eigentlich harmlosen Luftballons ragen zwei Objektive heraus: Selbst hinter den Hecken der zweiten Natur einer Massenveranstaltung stehen Schützen, die ihre Kameralinse scharf stellen. Aus Düsternis blickt Gefahr.

Petersons Bilder sind hyperrealistisch, er arbeitet oft mit einem harten, geraden Blitz, richtet ihn unbarmherzig auf Unterstützer, Fans, exstatische Groupies; auf die Medienvertreter, die mit Bekenntnis­aufklebern am Rechner im ­Journalistenpool sitzen, auf die sich drängenden Kamerapulks. Auf das Schild mit der rabiaten Aufforderung, den Mund zu ­halten und seinen Salat zu essen – nachdem man an seinen Journalistenplatz gesetzt wurde.

Man kann über die brutale Ästhetik der Bilder nachdenken, über die Kadrierung, die Anschnitte, den Blick auf Kandidaten, Helfer, Sicherheitsmänner, Jubelperser. Sie sind zu Horrorszenarien gefroren. Schockgefrostet in Gesten, in Bewegungen, im Übergang. Das Paar aus Beraterin und Politiker haben sich aber so was von gar nichts mehr zu sagen. Eine krass überschminkte Frau wirkt, als übergebe sie sich genau jetzt. Ein Strahlemanngesicht grenzt direkt an den Verdacht, es hier mit einem Serientäter von Gewaltverbrechen zu tun zu haben. Im Hintergrund stehen Hintermänner, Hinterfrauen, in ihren Blicken – wir nehmen das sofort an – glänzt das Üble, die kalte Welt der Spindoktoren, die nasse Unverschämtheit von Strategen.

Viele Journalisten gibt es, sie stehen wie Verschwörer in Kulissen, hocken wie Aasgeier am Rand einer Schlägerei, oft eher passiv, bereit zu verschlingen, was sich ihnen bietet. Warten, in schlaffen Körpern, bereit, schnell zu verdauen, was sie so erreicht. Das bisschen Energie, was es braucht, um sich mit der Kamera auf den Bauch zu legen, kommt vielleicht aus der Hoffnung, irgendjemandem unter den Rock lugen zu können.

Das Theaterstück, in das wir hier noch einmal retrospektiv geraten sind, eingerahmt von strengen Stuhlreihen mit Schwenkelementen, überzogen mit der Glasur von Bekenntnislametta, ist eine überfüllte Geisterbahn, durch dessen dunkle Hektik Peterson mit einer kleinen Funzel führt: Ständig rennen Leute ins Bild, oft bauen sie sich riesenhaft und viel zu nah vor uns auf, drohend verstellen sie den Blick, schwenken Waffen. Gerinnen zu Fratzen.

Nirgends ist Ruhe, Fahne und Knüppel stellt Peterson eng zueinander, ambivalent ist hier nichts

Die Brutalität ist das Ergebnis der sehr klaren, vielleicht polemischen, vielleicht sarkastischen Dramaturgie, durch die Peterson das Spektakel beobachtet. Durch die Fahnenbesoffenheit blickt ein Bild des faltigen George W. Bush – Rückschau auf einen, der dem Spektakel einen entscheidenden Spin gab. Direkt daneben streunen finstere Sicherheitsgestalten vor dem Kapitol: Überall ist Geste, nirgends Ruhe, Fahne und Knüppel stellt Peterson eng zueinander, ambivalent ist hier nichts.

Und es gibt noch eine Son­der­kategorie verrutschter ­Gesten, überzogen gespielter Emo­tionen und massiger Körperlichkeit, drohend vorangeschoben, hinter Glas abgeschossen, in seine eigene Welt eingesponnen; es sind Bilder von speichelnass geschürzten Lippen, von Geifer, wenn man so will, ein Mann in Jesushaltung vor ­ergebenen Anhängern: Die Rede ist, natürlich, von Donald Trump.

Die hohen Kontrastwerte, die harten Anschnitte, das Horrorkabinett, die bis zum Gaumenzäpfchen ausgeblitzten Rachenhöhlen sind ein drängender direkter Kommentar: Es ist eine Innenansicht aus diesem Schlund, durch den der Wahlkampf-Zirkus gurgelte.

Mark Peterson: „Political Theatre“. Steidl Verlag, Göttingen 2016, 120 Seiten, 120 Abbildungen, 35 Euro

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