: Nicht auf Augenhöhe
Moderne Wie ein Sidekick zur klassischen Kunst, wie Auftritte eines Clowns mischen sich die Bilder von George Condor in die Sammlung Berggruen. Doch lockert das wirklich die Sinne und die Wahrnehmungsfähigkeit?
von Lorina Speder
„Meine Bilder sind Stillleben der Stile.“ Passender könnte der New Yorker Maler George Condo seine Werke gar nicht beschreiben. In jedem seiner Bilder findet man andere Referenzen zu der Kunstgeschichte. Böse Zungen würden behaupten, dass er einfach schlecht kopiert. Doch das wäre zu simpel.
In der neuen Ausstellung „Confrontation“ im Museum Berggruen werden Condos Bilder mit den zur Sammlung des Museums gehörenden Gemälden seiner Vorbilder ausgestellt. Es ist mutig, die komplette Sammlung der sehr prominenten klassischen Moderne mit diesem zeitgenössischen Kommentar zu mischen. Die neue Anordnung ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Udo Kittelmann, Direktor der Nationalgalerie und Kurator, und dem Künstler selbst.
Condo führt als Inspiration oft Matisse oder Paul Klee an, Herzstücke der Sammlung Berggruen. Mal will Condo neben Cézanne bestehen, mal sehen seine Werke aus wie von Picasso. Von Weitem betrachtet schleichen sich seine Bilder nahtlos in das Werk der großen Meister ein.
Sein Gemälde „Study for Woman in Museum“ aus dem Jahr 1991 ist zum Beispiel so still neben dem in den Farben komplementären Porträt „Lorette“ von Matisse, dass man es fast nicht bemerkt. Das Bild taucht geradezu in die Atmosphäre des Raums ein, die durch den alten Meister kreiert wird. Nur verwirrt der Vergleich. Beim zweiten Hinsehen auf Condos Bilder folgt nämlich der Schreck, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Die Konfrontation, die kein Dialog ist, wird deutlich. Die Verzerrungen und das Destruktive, besonders in Condos späteren Arbeiten ist schockierend und gewollt.
Je nachdem, durch welche Epoche der Kunstgeschichte Condo blätterte, fallen die Gesichter der Figuren lieblicher oder extremer aus. In den kubistischen Räumen des Museums sind die Fratzen und Grimassen der menschlichen Wesen so dominant, dass man nicht so richtig weiß, was man damit anfangen soll. Muss es zum Beispiel ein Bild geben, das an Cézannes Komposition der Madame Cézanne anlehnt? Was sagt Condos „The Return of Madame Cézanne“ (2002), das neben Cézannes Komposition der Madame Cézanne hängt, durch seine groteske Verfremdung denn über das Original aus?
Sein Bild zeigt die Dame mit einem leicht deformierten Gesicht und einer roten Jacke, für Condos Verhältnisse eigentlich noch recht harmlos. Die echte Madame Cézanne, vom Meister in Grün-Blau gehalten, hat eine beruhigende Wirkung. Sie strahlt nicht die Komik der Condo-Nachbildung aus. Der Künstler spricht bei der Pressekonferenz von dem Primitivismus und dem Befreien von vorgegebenen Regeln als künstlerische Aufgabe. Das erreicht er mit diesem Werk nicht.
Alle ähnlich böse
Eher greift sein Pinselstrich die Tradition des impressionistischen Originalbilds aus dem Jahr 1895 aggressiv an – aber Condo gelingt es nicht, seiner Figur einen Ausdruck zu verleihen. Die Gegenüberstellung von Picassos Bleistiftzeichnungen mit Condos titellosen, beinespreizendem Akt aus dem Jahr 2006 in einem weiteren Raum unterstreicht, wie gut Picassos gezeichnete Körper wirklich sind. Die Konfrontation der beiden Künstler findet nicht auf Augenhöhe statt. Die vorgesehene Auffrischung des Blicks auf die klassischen Werke spaltet den Raum und lässt Condos verzerrten Akt mit Gruselgesicht plump wirken.
Condo erklärt, dass seine Bilder keine Kopien seien, da er den Kubismus weiterdenke. Er möchte den psychologischen Kubismus zeigen. Die Malerei des Kubismus zeigt Bewegungen und Körper aus mehreren Blickwinkeln gleichzeitig. Condos kubistische Elemente beanspruchen, darüber hinaus auch die Psyche zu treffen – als ob der Kubismus die nicht berührt hätte. Sein „psychologischer Kubismus“ kehre das Innere nach außen. Trotz dieser Erklärung sehen die Horrorgesichter der letzten zehn Jahre alle ähnlich böse aus. Diese Einseitigkeit passt nicht zu seiner Erklärung.
Die Komplexität der Psyche stellt man sich doch vielschichtiger vor, als es die Gruselgesichter mit Hamsterbäckchen und Reißzähnen sind. Als Person wirkt Condo zurückhaltend und fast wie ein sachlich interessierter Kunsthistoriker. In der Pressekonferenz erwähnt er, dass die Ästhetik, die man in der Kunst seiner Vorbilder inzwischen zu schätzen gelernt habe, zu deren Zeiten noch gar nicht gesehen werden konnte. Man bekommt den Eindruck, dass er eine Verbindung zwischen deren Qualitäten und einer darin noch nicht geübten Wahrnehmung herstellen will.
Die Ästhetik in seinen Bildern ist für den Betrachter nämlich schwer erkennbar, so bizarr und grässlich sind seine Wesen. Man wird beim Wandern durch die Ausstellung den Gedanken nicht los, dass Condo genau auf die Nichtästhetik den Fokus legt. Die Qualität eines Bilds sollte aber im persönlichen Ausdruck des Künstlers liegen. Und dieser erschließt sich bei Condo noch nicht.
Seinen mit Nachdruck betonten Satz „Jeder Künstler ist die Summe der Künstler, die vor ihm existierten“ übersetzt er sehr oberflächlich. Er bedient sich zweifelsohne aller Ideen, mit denen sich die Malerei und Bildhauerei entwickelt haben. Aber dass das nicht ganz ausreicht, wird durch die Konfrontation seiner Bilder mit den Klassikern der Kunstgeschichte von Picasso, Klee oder Matisse in der Ausstellung deutlich.
Bis 12. März 2017 im Museum Berggruen, Di.–Fr. 10–18 Uhr, Sa.+ So. 11–18 Uhr
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