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Unionsspieler freuen sich Foto: dpa

Vom Underdog zur Spitzenmannschaft

FUSSBALL Union Berlin rückt mit einem 2:0-Sieg gegen Eintracht Braunschweig ganz nahe an die Aufstiegsränge

Es ist noch nicht so lange her, da wäre das Ergebnis vom Montagabend eine charmante Überraschung gewesen. Union Berlin besiegt den Tabellenführer der zweiten Liga mit 2:0, und, um noch einen draufzusetzen: Besiegt den Tabellenführer überlegen und eindeutig. Es sagt einiges über die Entwicklung in Köpenick, dass Gegner Eintracht Braunschweig die Niederlage eher schulterzuckend hinnahm.

Union-Trainer Jens Keller, sowieso nicht für Jubelarien an der Seitenlinie bekannt, goutierte das Ergebnis mit einer zurückhaltenden Selbstverständlichkeit. „Wir haben hochverdient gewonnen“, so Keller. Um dann auf das hinzuweisen, was vielleicht seine liebste Erklärung bildet für das große Ganze: „Wir haben immer versucht, fußballerische Lösungen zu finden.“

Die Mannschaft solle aktiven, dominanten Fußball spielen, das war Kellers Prämisse, als er nach Köpenick kam. Es klang banal und änderte vieles. Zum ersten Mal überhaupt in der Vereinsgeschichte rückt ein Aufstieg für Union gerade in greifbare Nähe, Union liegt in der Tabelle einen Punkt hinter den Aufstiegsrängen.

Aber es ist nicht vorrangig die Tabelle, die die Veränderung sichtbar macht. Der Trainer hat Union das Selbstverständnis und Auftreten einer Spitzenmannschaft gelehrt. Und sie damit von einem Image befreit, das in der zweiten Liga in den ersten Jahren sehr nützlich, später eher hinderlich war: Das des rennenden, beißenden Underdogs.

Es ist ja nicht so, als wäre der Wille zum Aufstieg nicht vorher da gewesen. Union Berlin, jener Club, der seit Jahren die etwas mitfühlende Beschreibung als ambitionierter Zweitligist gebucht hat, will bekanntermaßen gern ein bisschen höher hinaus. Erste Liga also. Fast legendär der Dauer-Refrain von Union-Präsident Dirk Zingler, man wolle in absehbarer Zeit zu den besten zwanzig Teams in Deutschland gehören. Eine Entwicklung war da, aber irgendwann stagnierte sie. Union, das war und blieb die Mannschaft aus dem oberen Mittelfeld der Tabelle, die sich fleißig in jeden Ball warf, aber fußballerisch rumpelte. Die Underdog-Masche, die so wichtigen Kitt brachte, wurde zum Störfaktor. Die Verantwortlichen versuchten schon in der Vorsaison, das zu ändern: Extrainer Sascha Lewandowski sollte den Köpenickern das schöne Spiel beibringen, verkrampfte jedoch und scheiterte.

Jens Keller trat mit ähnlicher Mission, aber ruhiger und flexibler an. Schaute, was er vorfand, begann dann zu entwickeln. Die alten Ideale der Unioner hat er nicht verworfen, sondern zur Basis gemacht: Laufstärke, Zweikampfstärke, aggressives Pressing. Dazu sind neue Qualitäten gekommen. Keller lässt viele Angriffe über schnelles, flaches Kurzpassspiel spielen, Union zieht das Spiel an sich, statt zu reagieren. Der Mannschaft gelingt es langsam, in die Rolle des Favoriten hineinzuwachsen, statt sich in der des Quertreibers auszuruhen, und das ist der wohl entscheidende Fortschritt.

Es ist vielleicht auch die stille Revanche des Jens Keller: Nach unglücklicher Zeit bei Schalke aussortiert und fast auf dem Ablagestapel verschlissener Trainer gelandet, hat er in Köpenick ein Umfeld gefunden, das ihm die Ruhe gibt, seine Ideen zu entwickeln.

Er ist vorsichtig genug, den Aufstieg nicht dieses Jahr zur Pflicht auszurufen. „Wir haben schon zu Saisonbeginn gesagt, dass wir oben mitspielen wollen“, sagte Keller nach dem Braunschweig-Spiel. Es müsse aber „vieles zusammenkommen, damit wir da oben bleiben“. Alina Schwermer