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Ruhe unter Wasser

Nass Bruce Hall, der als Naturfotograf bekannt wurde, ist stark seheingeschränkt, seine Söhne haben Formen des Autismus. Als er bemerkte, dass sie sich beim Spielen mit Wasser besonders konzentrieren, fing er an, sie dabei zu fotografieren. Und sie besser zu verstehen

Die digitale Fotografie scheint ein Segen für Eltern geworden zu sein. Egal in welcher Situation, man hat das Handy oder eine Kamera zur Hand und kann das Kind ablichten, seine Entwicklung aufnehmen und die Fotos an die Verwandtschaft schicken. Fotografie und Familie gehören zusammen.

Bruce Hall hat begonnen, sich bewusst mit Familienaufnahmen auseinanderzusetzen, als er merkte, dass sich seine beiden Zwillingssöhne anders entwickelten als Gleichaltrige. Bei Jack und James wurden Formen des Autismus diagnostiziert, die Familie musste sich auf neue Kommunikationswege und Betreuung einlassen. Für die Familie war die Diagnose aber auch Gewissheit: die Wutausbrüche und späte Sprachentwicklung hatten einen Namen.

Für den Unterwasser- und Makrofotografen Hall war das eine neue Herausforderung. Er ist seit seiner Kindheit stark seheingeschränkt und kann nur in einem bestimmten Bereich scharf sehen. Die Fotografie ermöglicht ihm Detailansichten der Umwelt: „Ich nutze Objektive und Kameras, um zu sehen, was ich nur ahne“, sagt er.

Das Tauchen musste er aufgeben, aber das Fotografieren und Wasser sind ihm geblieben – als flüssiges und verbindendes Element: Hall hatte entdeckt, dass sich seine Jungs beim Spielen mit Wasser mehr konzentrieren und abschalten konnten; das Wasser aus dem Gartenschlauch oder im Planschbecken machte ihnen Freude. Wenn Hall ihre Bewegungen mit der Kamera einfror, konnte er seine Kinder später besser sehen und verstehen. Ob Jack beim Wasserspiel lächelt und die Zunge rausstreckt, etwa. Oder ob er entspannt die Augen schließt.

Bruce Hall

Er lebt und arbeitet in Orange County, Kalifornien. Seit seiner Geburt ist er stark sehbehindert. Die Kamera und optische Instrumente werden ihm zum Fenster zur visuellen Welt. Hall taucht und macht sich zunächst einen Namen als Naturfotograf. 2016 veröffentlicht er den Fotoband „Immersed. Our Experience With Autism“ – mit Bildern seiner autistischen Zwillingssöhne. brucehallphoto.com

Andi Weiland

Bruce Hall ist einer von drei Fotograf*innen mit Sehbehinderung im Dokumentationsfilm „Shot in the dark“ von Frank Amann, der ab Januar 2017 in deutschen Kinos zu sehen ist

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