Erik Peter über den immer währenden Streit innerhalb der Linkspartei über ihre Regierungsbeteiligung
: „Jeder Schritt wirklicher Bewegung ist mehr wert als 100 Programme“

Ewiger Streit der Linken: Reform oder Revolution? Foto: Christian Mang

Das ist der beste Koalitionsvertrag, den je eine linke Partei in Deutschland verhandelt hat.“ So zitierte Michael Efler, neu gewählter Abgeordneter der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, einen, wie er sagte, „kritischen“ Parteigenossen aus Neukölln. Er wolle sich diese Einschätzung gar nicht zu eigen machen, so Efler auf der Basiskonferenz der Linken am Donnerstagabend, doch seine Intention war klar: Selbst jene, die Regierungsbeteiligungen ihrer Partei kritisch gegenüberstehen, sollten diesem Vertrag zustimmen.

Nur die Linkspartei lässt ihre Mitglieder über die Annahme des Koalitionsvertrages entscheiden – kommenden Dienstag steht das Ergebnis fest. Die Basiskonferenz war die zweite große Veranstaltung, in der sich die Parteispitze den Mitgliedern stellte. Die Beteiligung ihrer Basis mag demokratischen Grundprinzipien entsprechen, ist aber auch eine Lehre aus den Regierungsbeteiligungen der Partei zwischen 2001 und 2011.

Nachwehen der dauerhaften Zerreißprobe von damals sind auch heute noch zu spüren. Nach einer konzentrierten, sachlichen Phase in Themen-Arbeitsgruppen wurde es in der Generaldebatte hitzig. Während einigen älteren Genossen ein Satz in der Präambel des Koalitionsvertrages missfiel, der die DDR auf Mauer und Unrecht reduziert, trugen überwiegend junge Mitglieder ihre generelle Ablehnung vor. Tenor: Noch nie habe eine Regierungsbeteiligung der Partei genutzt, ein Eintreten aufseiten der Abgehängten sei so kaum mehr möglich – zum Nutzen der AfD.

Viel Applaus erhielt etwa Lucy Redler, die einst mit der WASG gegen den Zusammenschluss mit der Linkspartei.PDS stritt. So kritisierte sie die vereinbarten höheren Zuweisungen für Privatschulen oder die stufenweise Anhebung des Pensionsalters für Beamte. Die Parteispitze ließ sich davon provozieren. So schleuderte die kommende Sozialsenatorin Elke Breitenbach den Kritikern entgegen, ob sie ewig weiter auf den „revolutionären Zustand, wo wir zuschlagen können“ warten wollen. Die neue Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher konterte mit Friedrich Engels: „Jeder Schritt wirklicher Bewegung ist mehr wert als 100 Programme.“

Die designierte Parteivorsitzende Katina Schubert gab sich im Nachhinein dennoch entspannt. Die Regierungsgegner seien „nicht repräsentativ“, sie rechne mit einer „breiten Zustimmung“ in der Partei. Und doch bleiben einige unversöhnlich. Die Sprecherin der Linken Neukölln vervollständigte den eingangs zitierten Satz ihres „kritischen“ Genossen. Zwar habe er gesagt, es handele sich um den besten je ausgehandelten Koalitionsvertrag, wohl aber auch: „Aber er reicht nicht aus.“