: Mit Béisbol gegen die Yanquis
KubaFidel Castro trug Adidas-Trainingsanzüge, umgab sich gerne mit Weltklasseathleten und half mit, ein effizientes Sportsystem zu entwickeln. Doch das Gerücht, der Revolutionär habe kurz vor einem Profivertrag im US-Baseball gestanden, ist falsch
Das Foto von dem älteren Herrn im tiefblauen Trainingsanzug mit den berühmten drei Streifen ist bekannt. Geld hat der verstorbene kubanische Revolutionsführer aber nicht dafür bekommen, Werbeträger des großen deutschen Sportartikelherstellers zu sein. „Es gibt keinerlei Vertrag mit Fidel Castro“, hatte eine Adidas-Sprecherin erst jüngst der Süddeutschen Zeitung mitgeteilt. Vielmehr habe das Unternehmen bis 2012 die kubanische Olympiamannschaft ausgestattet und Castro habe sich wohl aus diesem Fundus bedient.
Der Revolutionär als gemeiner Kleiderkammerdieb? Wenn seine Anhänger Pech haben, wird nun auch diese Erzählung über den langjährigen kubanischen Staatspräsidenten Einzug halten. Die Geschichte vom sportlichen Comandante jedenfalls dürfte bald auserzählt sein.
Diese Geschichten gibt es, und selbst der renommierte Baseballhistoriker John M. Merriman gab sie weiter: Fidel Castro soll in den USA kurz vor einem Profivertrag bei einem der großen Klubs der Major League Baseball (MLB) gestanden haben. Getreu einem Gerücht soll er bei einem Test sogar den späteren Hall-of-Famer Hank Greenberg geschlagen haben. Laut anderen Gerüchten bemühten sich die Pittsburgh Pirates, die Washington Senators, ja sogar die New York Yankees um den Mann. Und ein besonders spezielles Gerücht besagt sogar, die New York Giants hätten Castro 1949 (andere Quellen behaupten: 1951) einen Vertrag angeboten, den dieser ausgeschlagen habe.
Hier kommt die Politik ins Spiel: Die Giants-Offerte habe Castro abgelehnt, weil er zu diesem Zeitpunkt sein Leben bereits dem Kampf der Befreiung seines Geburtslandes von der Diktatur des Generals Fulgencio Batista verschrieben gehabt hätte. Um die anderen Versionen der Profi-Castro-Erzählungen politisch einzubetten, wird gerne das angebliche Zitat eines Scouts kolportiert, der Castro attestiert habe: „Viel Enthusiasmus, aber nicht viel im Arm. Schlage vor, der soll sich ein anderes Business suchen.“ Dazu passt auch der oft zu findende Glaube, weil er im US-Sport nicht landen konnte, sei Castro zum Gegner der USA geworden.
Doch egal ob man es in dieser Weise liest oder ob man in Fidel Castro den überragenden Comandante erblicken mag, dem immer alles gelang, auch auf dem Sportplatz – die Gerüchte sind falsch. Der US-Literaturwissenschaftler Roberto González Echevarría ging in seinem Buch The Pride of Havanna, einer Geschichte des kubanischen Baseballs, der Sache nach: „Das Ganze ist die Erfindung eines amerikanischen Journalisten.“ In Kuba sei die Geschichte auch nie erzählt worden: „Jeder wüsste, dass es falsch ist.“
Baseballfan war Fidel Castro jedoch sein ganzes Leben. Und 1999 schrieb er auch Sportgeschichte. Damals reisten die Baltimore Oriols als erstes MLB-Team seit der Revolution 1959 nach Havanna, um gegen das kubanische Nationalteam zu spielen. 3 zu 2 nach elf Innings gewannen die Profis über die Amateure, 50.000 Fans im Estadio Latinoamericano sahen ein keinesfalls unterlegenes heimisches Team.
Vielmehr hatte sich das sozialistische Kuba schon in den ersten Jahren seiner Existenz um breite Sportförderung gekümmert, und etliche MLB-Baseballprofis haben ihre sportliche Ausbildung auf Kuba erhalten; sie hatten sich abgesetzt, um gut dotierte Verträge zu bekommen.
Bud Selig, langjähriger MLB-Commissioner, war 1999 bei der historischen Reise dabei. Er erinnerte sich, dass er um 19 Uhr im Präsidentenpalast erscheinen sollte, Castro wolle ihn sehen. Er ging im festen Glauben hin, eine Höflichkeitsvisite zu absolvieren. Doch Castro führte ein Fachgespräch über Baseball. Erst um drei Uhr nachts kam Selig in sein Hotel zurück.
In seinem Kampfanzug soll Castro übrigens zu dem Gespräch gekommen sein, nicht im Adidas-Dress. Martin Krauss
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen