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Eine von dort

Türkei Die BBC- und WDR-Reporterin Hatice Kamer ist am Samstag kurzzeitig festgenommen worden. Die kurdische Journalistin berichtet als eine von wenigen noch aus dem Südosten des Landes

aus Istanbul Jürgen Gottschlich

Sie war auf dem Weg nach Șirvan, einem Dorf in der Provinz Siirt, unweit der türkisch-irakischen Grenze. Wenige Tage zuvor waren dort bei einem Unglück in einer Kupfermine fünf Kumpel getötet und zwölf zeitweilig eingeschlossen worden. Am Samstag wurde Emine Erdoğan, die Frau des Staatspräsidenten, zum Kondolenzbesuch erwartet.

Hatice Kamer, eine kurdische Journalistin, die überwiegend für den türkischen Dienst der BBC und gelegentlich für den WDR berichtet, wollte sich den Besuch der Staatspräsidentengattin anschauen. Sie kam nie an. An einer Straßensperre etliche Kilometer vor dem Dorf wurde sie angehalten, ihre Personalien wurden überprüft. Man brachte sie ins Hauptquartier der Antiterrorpolizei in Siirt, wo sie bis Sonntag festgehalten wurde.

Über die Gründe ihrer Festnahme gibt es keine offiziellen Angaben. Doch sie liegen auf der Hand. Hatice Kamer, 39 Jahre alt, ist eine der letzten kurdischen Journalisten, die noch aus dem Südosten des Landes berichten. Seit alle Zeitungen in der Türkei, in denen sie früher ihre Artikel veröffentlichte, vom Staat geschlossen wurden, arbeitet sie für die BBC, den WDR und andere ausländische Sender. Dem Staat ist sie schon länger ein Dorn im Auge, denn sie redet und schreibt ungeschminkt über die Gewalt und Repression in der Region und geht dorthin, wo der Staat kritische Berichterstattung nicht wünscht – seien es bis vor wenigen Monaten umkämpfte Städte wie Nusaybin oder Cizre, sei es die vernichtete Altstadt von Diyarbakır oder jetzt das Grubenunglück in Șirvan. Für den WDR veröffentlichte sie unlängst eine Reportage über das Schicksal einer Familie, deren Sohn in Sur, der Altstadt von Diyarbakır, ermordet wurde. Die Mutter weiß bis heute nicht, wo und wie er getötet wurde. Sie konnte den Leichnam erst begraben, als nach Monaten die Kämpfe nach der weitgehenden Zerstörung von Sur beendet waren.

Die Arbeit von Hatice Kamer ist so wichtig, weil sich nur noch wenige Journalisten trauen, direkt aus den Kurdengebieten zu berichten. Die großen türkischen Zeitungen schreiben kaum noch über die Region. „Für die türkischen Medien sind die Schicksale der Muslime in Myanmar oder auf den Philippinen wichtiger als die Unterdrückung der Kurden“, schrieb Kamer in ihrer WDR-Reportage.

Für ausländische Korrespondenten ist die kurdische Region mittlerweile weitgehend tabu. Es gibt kein offizielles Besuchsverbot, aber wer hinfährt, landet meist schnell auf einer Polizeistation. Für Fernsehjournalisten ist es unmöglich geworden, dort zu filmen. Aber auch schreibende Journalisten werden von den Sicherheitskräften oft schnell identifiziert und unter Druck gesetzt. Kürzlich wurde der französische Journalist Olivier Bertrand in Gaziantep festgenommen und nach drei Tagen Polizeihaft nach Frankreich abgeschoben.

Hatice Kamer dagegen ist eine Journalistin, die in der Provinz Diyarbakır geboren wurde. Als Kind hat sie die schlimmen Jahre nach dem Militärputsch 1980 und dem anschließenden jahrelangen Ausnahmezustand in der kurdischen Region miterlebt. Sie kennt die Leute und die Arbeitsbedingungen, zuletzt war sie Vorsitzende des Journalistenverbandes von Diyarbakır. Nach ihrer Festnahme am Samstag hatte sie zunächst keinen Kontakt zur Außenwelt. Weder ihr Anwalt noch ihre Schwester durften sie besuchen. Wegen des Ausnahmezustandes darf die Polizei bis zu fünf Tage lang jeden Kontakt verweigern. Die BBC, der WDR, verschiedene Journalistenverbände und Reporter ohne Grenzen forderten ihre sofortige Freilassung. Inzwischen ist Kamer in ein Krankenhaus überstellt worden. Dort soll ermittelt werden, ob es zu Misshandlungen durch die Polizei kam, so der türkische Dienst der BBC.

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