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Verteidiger auf Konfliktkurs

JUSTIZ Staatsrat Matthias Stauch erzürnt Anwaltsvereinigungen: Sie werfen ihm vor, den VerteidigerInnen die Schuld für Engpässe an Gerichten zuzuweisen. Stauch weist Vorwürfe zurück

Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer und der Bremische Anwaltsverein üben Kritik an Justizstaatsrat Matthias Stauch. Anfang November hatte dieser sich im Weser-Kurier zur Überlastung insbesondere am Landgericht Bremen geäußert. Wenn der Justizstaatsrat in diesem Zusammenhang den Begriff der „Konfliktverteidigung“ in die öffentliche Diskussion einbringe, sei das „alarmierend“, erklärten die Anwaltsorganisationen dazu in einer gemeinsamen Stellungnahme.

„Selbstverständlich darf der Strafverteidiger den Konflikt mit Staatsanwaltschaft und Gericht nicht scheuen.“ Die Pro­bleme beim Landgericht und insbesondere der Verfahrensstau seien in der „völlig unzureichenden personellen Ausstattung des Gerichts“ begründet, so die Auffassung von Kammer und Anwaltsverein. Justizstaatsrat Matthias Stauch hatte im Interview mit dem Weser-­Kurier gesagt, das Landgericht „bemühe sich“, dass der Bearbeitungsstau nicht zu der Situation führe, dass Untersuchungshäftlinge freigelassen werden müssten. Dies ist der Fall, sofern der Prozess eines Untersuchungshäftlings nach sechs Monaten noch nicht begonnen hat.

Im Juni waren deshalb zwei Angeklagte in Bremen entlassen worden, denen Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung vorgeworfen wurde. Der Fall hatte über Bremen hinaus für Empörung gesorgt. Stauch erklärte, am Landgericht seien Haftsachen enorm angestiegen. Statt der üblichen jährlich 50 habe man 66 Haftsachen 2015 gehabt, in diesem Jahr seien es bislang schon 79. Anfang des Jahres sei darauf mit einer Personalaufstockung reagiert worden, von 44 auf 48 Stellen. Stauch kündigte an, dass eine weitere Verstärkung auf bis zu 51 Richter geplant sei.

Am Ende des Interviews sagte er: „Eventuell haben wir ja mitunter streitbare Verteidiger in Bremen.“ Es habe für bremische Richter Fortbildungen zum Umgang mit Konfliktverteidigung gegeben.

Für die Rechtsanwaltskammer und den Anwaltsverein mache Stauch damit „die Aufgabenerfüllung des Strafverteidigers mitverantwortlich für Probleme in gerichtlichen Abläufen“. Verfolge man diesen Gedanken weiter, so könne die Justiz demnach reibungslos arbeiten, „wichen nur die Verteidiger dem Konflikt aus“, heißt es in dem Schreiben.

Justizsprecher Sebastian Schulenberg sagte dazu der taz: Eine vermehrte Konfliktverteidigung sei in dem Interview von Stauch nicht festgestellt worden. „Dass Staatsrat Stauch die Aufgabenerfüllung des Verteidigers mitverantwortlich für Probleme bei gerichtlichen Abläufen macht, kann seinen Ausführungen nicht entnommen werden.“ Die erwähnten Fortbildungen lägen zudem bereits mehrere Jahre zurück. jpb

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