AfD in Baden-Württemberg: Angst vor der Öffentlichkeit
Vor ihrem Nominierungsparteitag lädt die Südwest-AfD die Presse aus. 118 Kandidaten wollen für den Bundestag kandidieren.
Mit der Entscheidung soll eine „voreingenommene Berichterstattung“ unterbunden werden, heißt es. Parteichef Jörg Meuthen kritisierte diese Entscheidung, wenn auch wie üblich sehr vorsichtig: „Ich hätte sicherlich anders votiert“, kommentierte er die Entscheidung des Landesvorstands.
Das Presseverbot zeigt zweierlei: Offenbar hat der Bundesvorsitzende Meuthen seit seinem Rücktritt aus dem Vorstand immer weniger Einfluss auf die Landespartei. Und die Parteiführung hatte offenbar Angst vor der eigenen Basis. Denn es sind nicht Delegierte, die die Kandidaten für die Bundestagswahl wählen. Bei der „Aufstellungsversammlung“ in Kehl ist jedes Mitglied stimmberechtigt.
Außerdem fürchtet sich der Landesvorsitzende Lothar Maier offenbar auch vor einigen der Listen-Kandidaten. Darunter seien zahlreiche Bewerber mit „abstrusen Ansichten“, sagt Maier. Es sei zu befürchten, dass die Medien solche Äußerungen hervorheben würden.
Breites Spektrum
Die Sorge ist nicht unbegründet: 118 Kandidaten streben – nach Kandidatenselbstdarstellungen, die der taz vorliegen – eine Bundestagskandidatur an. Sie bieten ein breites Spektrum: Viele von ihnen waren nach eigenen Auskünften zuvor bei den „Republikanern“, dem „Bund freier Bürger“, „Die Freiheit“, aber auch bei etablierten Parteien von CSU bis Jusos. Auf die Landesliste möchte etwa auch Thomas Gruber. Per E-Mail, die der taz vorliegt, hat er 2011 zu einem Nahkampftraining mit Grillen zu sich nach Hause geladen. Waffen und Steaks sollten mitgebracht werden.
Der AfD-Vize Alexander Gauland hat Parteichefin Frauke Petry angeboten, gemeinsam ein Spitzenteam für den Bundestagswahlkampf zu bilden. "Mir geht es darum, ein möglichst breites Spektrum der Strömungen, die in unserer Partei vorhanden sind, abzubilden", sagte er am Donnerstagabend in Berlin. Nach Angaben aus Parteikreisen wird sein Vorschlag von mehreren Mitgliedern des Bundesvorstandes der Partei unterstützt. Die Frage, wie viele Spitzenkandidaten die AfD letztlich ins Rennen schickt, werde aber erst beim Bundesparteitag im April 2017 in Köln entschieden, hieß es. (dpa)
Bemüht zurückhaltend stellt sich Markus Frohnmaier in der Selbstdarstellung vor. Er ist Sprecher der Bundesvorsitzenden Frauke Petry und Bundesvorsitzender der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA). In der extrem rechten Zuerst! ließ er sich unlängst sehr persönlich porträtieren.
Der baden-württembergische Vorsitzende der JA, Moritz Brodbeck, der der „Indentitären Bewegung“ nahesteht, greift in seinem Bewerbungstext die Arbeit der Landtagsfraktion um Jörg Meuthen an. Er halte nicht alle Landtagsabgeordnete politisch und charakterlich für fähig. Er selbst hätte aber das nötige „Rüstzeug“.
Offener Machtkampf zwischen den Strömungen
In dieser unübersichtlichen Lage ist nicht einmal klar, ob es Alice Weidel, die neben Meuthen das prominenteste Gesicht der Südwest-AfD ist, auf den ersten Listenplatz schafft. Die ehemalige Unternehmensberaterin, die in einer lesbischen Beziehung lebt, wird vom Landtagsabgeordneten Stefan Räpple auf Facebook geschmäht.
Im Vorfeld des Nominierungsparteitags ist zudem ein offener Machtkampf zwischen den verschiedenen Strömungen ausgebrochen. In Mannheim wurde vergangene Woche der gesamte Vorstand des Ortsverbands durch das AfD-Landesschiedsgericht abgesetzt. Offiziell geht es um die Frage, ob der Ortsverein zur Wahl des Vorstands angemessen eingeladen hatte. Tatsächlich geht es wohl eher um gute Listenplätze.
Außerdem hat sich „der Flügel“, eine Gruppierung rechts außen um den thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke, eine eigene Kandidatenliste aufgestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch