LOL Seit gut einem Monat läuft Funk, das junge Angebot von ARD und ZDF. Ein Abend mit YouTube, Snapchat und der Zielgruppe
: Dalli Dalli

Ein Donnerstag in Berlin-Kreuzberg: Schokolade und Chips stehen auf dem Tisch, das Bier ist kalt, es gibt sogar etwas Obst. Wir haben eingeladen zum gemeinsamen Fernsehabend. In einer kollektiven westdeutschen Erinnerung hieß das einmal: Lagerfeuerfernsehen – im Bademantel bei Salzstangen „Wetten, dass ..?“ gucken. Zwanzig Jahre später sitzen wir am Küchentisch, in der Mitte liegen Smartphones, Laptop, ein Tablet, und wir wissen nicht so ganz, wo wir eigentlich hin sollen.

Seit einem Monat läuft nun das gemeinsame Jugendprogramm von ARD und ZDF. Funk heißt das jüngste Kind (lang ersehnt, schwere Geburt), und wer auf der Fernbedienung nach einer passenden Taste sucht, kann sich sicher sein: Du bist zu alt. Lineares Fernsehen ist vorbei. Funk versteht sich vielmehr als ein „Contentnetzwerk“ – es sendet auf allen Kanälen, auf denen 14- bis 29-Jährige unterwegs sind: YouTube, Facebook und Snapchat. Wir wollen gemeinsam herausfinden, wie uns das gefällt, dieses neue Fernsehen. Lohnt sich das? Oder ist das noch so ein peinlicher Versuch, junge Leute zu gewinnen? Am Tisch sind drei Generationen vertreten: die (Fast-)Teenager, die Zwanziger und die Alten. Ein paar haben auch die Funk-Handy-App runtergeladen – und sind schwer enttäuscht. Die meisten Sendungen tauchen da gar nicht auf. Wir gehen also mit dem Laptop auf YouTube. Doch der Funk-Kanal ist dürftig bestückt. Richtig was los ist eher auf den einzelnen Unterkanälen und natürlich auf Facebook, wo Funk in die Timelines gespült werden soll. Am Ende landen wir auf der Funk-Homepage (funk.net). Erste Erkenntnis: Funk will nicht von dir gefunden werden, es will dich finden.

Die Zielgruppe: Vito
(11) & Kosmas Schmidt
(16), Judith Freese
(20), Amna Franzke
(22), ­Peter Weissenburger
(27). Die Alten: Anne Fromm
(30), Klaus Raab
(37), Ambros Waibel (48)

"Headlinez"

Rayk Anders Screenshot: Youtube

Das Format: Rayk Anders erklärt die Welt. Wie ein Anchorman sitzt er in seinem Studio und macht so etwas wie eine Presseschau. Er behandelt in jeder Folge ein aktuelles Thema, sucht sich Pressemeldungen und sagt dazu, was er denkt. Ist Trump der neue Hitler? Was ist los mit diesen Horrorclowns? Oder in der Episode, die wir gemeinsam schauen: Warum wird Gina-Lisa Lohfinks Glaubwürdigkeit an der „Natürlichkeit“ ihres Körpers gemessen?

Das sagen die Alten: Klaus Raab erinnert das an LeFloid, den kennt er auch. „Es kam mir ewig vor“, sagt Anne Fromm. Dabei waren das bloß fünf Minuten. Und dann taucht die Frage auf: Versteht das die Zielgruppe? „Der hat so einen Unisprech drauf und sagt so etwas wie ‚imaginieren‘“ (Ambros Waibel).

Das sagt die Zielgruppe: Niemand weiß, worauf „Headlinez“ eigentlich hinaus will. „Gab es überhaupt Argumente?“, fragt Kosmas Schmidt: „Bei solchen Formaten habe ich oft das Gefühl, dass man mir eine Meinung aufdrückt. Ich möchte mir das lieber selbst aufdröseln.“ So richtig neu ist das alles auch nicht – Welt kommentieren, das machen andere auch, sogar besser. „Das hätte man auf jeden Fall auch in einer Minute sagen können“ (Judith Freese).

"i.am Serafina"

She is Serafina Screenshots: YouTube

Das Format: Eigentlich schauen wir das falsch. Die erste Folge „i.am Serafina“ läuft an diesem Abend auf dem Laptop. Besser wäre: auf dem Smartphone. Denn es handelt sich um die erste deutsche Snapchat-Soap, produziert von Puls, der Jugendwelle des Bayerischen Rundfunks. Eine Daily Soap, die den ganzen Tag über in einzelnen Mini­episoden auf Snapchat verfolgt werden kann. Die Dialoge sind improvisiert, die Handlung ist üblicher Soapkitsch: Serafina ist superhappy und filmt sich mit ihren Freundinnen auf dem Oktoberfest im Bierzelt und wie sie ihrem Freund ein Herz kauft. Doch als sie nach Hause kommt, erwischt sie ihn mit einer anderen im Bett. Alles von der Hauptdarstellerin ausgedacht und mit dem Handy gefilmt.

Das sagen die Alten: „Das war das erste innovative Format an diesem Abend“, meint Klaus Raab. „Es war überraschend, und die Hauptdarstellerin spielt wirklich gut.“

Das sagt die Zielgruppe: Die ist sich nicht einig, ob dieses ungewöhnliche Format tatsächlich den Inhalt sticht. „Warum muss man denn unbedingt eine Foto-Lovestory erzählen?“ (Amna Franzke). „Natürlich ist es Trash und trotzdem muss ich wissen, wie es weitergeht“ (Peter Weissenburger).

"Junggesellen"

„Man lernt nichts, ist aber lustig“ Screenshot: YouTube

Das Format: Der eine Junggeselle kann gut Videos schneiden, der andere Beats. Eine Kombi, mit der man schnell Erfolg feiert auf YouTube, meint Kosmas. Die beiden 25-jährigen YouTuber können vor allem sehr schnell sprechen. Auf ihrem Kanal gibt es (früher hätte man vielleicht gesagt) Sketche, in denen sie die YouTube-Szene und ihre Rituale verarschen und dabei auch gern ein bisschen auf dicke Hose machen – unterlegt mit dramatischer Musik oder Beats und aufwendigen Spe­zial­effekten. Jeden Freitagnachmittag landet auf ihrem YouTube-Kanal ein neues Video – und das auch schon vor der Zusammenarbeit mit Funk. Neu ist, dass es dank öffentlich-rechtlicher Finanzierung weder Werbeclips noch Productplacement gibt.

Das sagen die Alten: Boah, ganz schön schnell, ziemlich viele Effekte. Nett, dass es kein Productplacement gibt, aber bei dem schnellen Schnitt kann man doch eh keine Produkte erkennen.

Das sagt die Zielgruppe: „Das ist halt eher was für uns.“ Kosmas und Vito Schmidt kennen die beiden schon länger von YouTube und haben gar nicht bemerkt, dass sich etwas verändert hat. Immer noch die alten Hänger. „Man lernt nichts, aber es ist einfach sehr lustig“, findet Vito.

"Auf Klo"

Mai und Hengameh Yaghoobifarah Screenshot: YouTube

Das Format:Mai, die Moderatorin, trifft sich mit ihren Gästen zum Interview auf dem Klo. So wie Mädchen das nach­gesagt wird, und natürlich wird das Gespräch in dieser Um­gebung sehr persönlich. Es geht um Freundschaft, Sex und Hater. In der ersten Folge trifft Mai die Kolumnistin Hengameh ­Ya­ghoobifarah und spricht mit ihr über das Dicksein und Fett-Aktivismus. Wir schauen uns noch die Folge mit YouTuberin Marie Meimberg an zum Thema „Verkacken“. Und wie in jeder Folge gibt es eine Challenge, in der Mai gegen ihren Gast antritt.

Das sagt die Zielgruppe: Was ist „Zimmer Frei“? Irgendwie ist der Funke nicht übergesprungen. „Die sagen ‚ficken‘ im Öffentlich-Rechtlichen, eigentlich will ich sie dafür lieben, aber manchmal ist es zum Fremdschämen“, sagt Peter Weissenburger. Man ist sich einig, je interessanter der Gast, desto besser die Sendung. „Aber den Stil, in dem das geschnitten ist, mag ich nicht, mit diesen Comics und Sprechblasen“ (Vito Schmidt).

Das sagen die Alten:„Ein paar Einblendungen fand ich witzig, aber es entspricht nicht meinen Nutzungsgewohnheiten. Deshalb fällt es mir schwer zu bewerten“ (Klaus Raab). Insgesamt ein bisschen wie „Zimmer Frei“, meint Anne Fromm.

"Jäger und Sammler"

Nemi El-Hassan Screenshot: YouTube

Das Format: So, jetzt wird es ernst. Denn es geht um Nazis. In der ersten Folge von „Jäger und Sammler“ trifft Moderatorin Nemi El-Hassan den identitären Rapper Komplott. „Jäger und Sammler“ ist das investigative Reportageformat von Funk. Zu sehen auf Facebook und YouTube. Abwechselnd begeben sich drei ReporterInnen auf Recherche. Auch Welt-Autorin und Bloggerin Ronja von Rönne ist mit dabei und lässt sich in ihrer ersten Folge von einem Prepper – einem jungen Berliner, der sich in seiner Freizeit auf den Atomkrieg vorbereitet – erklären, wie man den Weltuntergang übersteht.

Das sagen die Alten:Die Folge mit dem Prepper kommt nur mäßig an. „Das ist ein totales Journalistenthema, wer weiß denn sonst, was ein Prepper ist?“ (Klaus Raab). Aber im Vergleich zu den anderen politischen Formaten bei Funk gibt es hier eine Auseinandersetzung mit Themen, nicht eine Meinung, die präsentiert wird (Anne Fromm).

Das sagt die Zielgruppe: „Ich feier’das hart“, sagt Peter Weissenburger, „da hat sich auch mal jemand Gedanken zur Dramaturgie gemacht.“ Aber Journalismus auf YouTube funktioniere nicht, meint Judith Freese. „Entweder du generierst Klicks mit wenig Aufwand, oder du musst dir ein anderes Medium ­suchen.“