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Kurskorrektur mit Widerstand

Baden-Württemberg Am Samstag soll Leni Breymaier zur SPD-Landesvorsitzenden gewählt werden. Der konservative Parteiflügel warnt vor einem Linksruck

Aus Stuttgart Benno Stieber

Den Neuanfang der Südwest-SPD haben sich alle Seiten anders vorgestellt: Die Parteigranden, die nicht damit gerechnet haben, dass es da eine mit der Erneuerung der Partei gleich so ernst meint. Und auch die designierte Parteivorsitzende, Leni Breymaier, die nicht mit so viel innerparteilichem Gegenwind gerechnet hat. Und das wegen einer Ex-Juso-Chefin als Generalsekretärin.

Okay, dann gibt es halt Krach, „darf auch mal sein“, findet Breymaier, wenn es sein muss auch öffentlich. Konflikte sind normal, wenn man jahrelang Landesbezirksleiterin von Verdi war: „Die Gewerkschaft ist schließlich auch kein Mädchenpensionat.“

Nein, falsche Harmonie ist nicht die Sache von Leni Breymaier. Das konnte man schon bei ihren TV-Auftritten bei Plasberg bis Maischberger erkennen, wo die 56-Jährige mit ungekünstelten Sätzen und schwäbischem Zungenschlag für eine Rückkehr zur Rente mit 65 stritt und den sozialpolitischen Verfall der SPD spätestens seit den Riester-Reformen geißelte und sich bei TTIP und Ceta explizit gegen die Parteiführung stellte.

Die Partei wusste also, dass es mit der langjährigen Parteivize nicht im gleichen Parteitrott weitergehen würde, als sie die gebürtige Ulmerin nach der für die SPD desaströsen Landtagswahl zur Nachfolgekandidatin des glücklosen Nils Schmid machte. Seitdem war der Übergang vom Netzwerker Schmid zur Linken Breymaier erstaunlich einvernehmlich über die Bühne gegangen. Doch jetzt, wo Leni Breymaier die ehemalige Juso-Chefin Luisa Boos als Generalsekretärin durchsetzen will, brodelt es in Teilen der Partei – vor allem der Landtagsfraktion.

Manchem Genossen geht es bei gleich zwei Frauen an der Spitze dann doch zu weit mit der Gleichberechtigung. Zudem fühlt sich der eher rechte Parteiflügel bei der Personalie übergangen. Vor einem Linksruck in der Partei wurde gewarnt, das sei den Wählern nur schwer zu vermitteln.

Breymaier hat auch die Formel, die der Bundes-SPD auf die Beine helfen würde

Um diese Sorgen zu zerstreuen, ist Breymaier den ganzen Sommer in den Ortsverbänden unterwegs gewesen, sichtlich darum bemüht, eines zu zeigen: der hinter die AfD zurückgefallenen SPD wieder ein eigenes Profil zu geben. „Mehr Emotionalität und mehr soziale Gerechtigkeit“ habe sich die Basis bei den Veranstaltungen gewünscht, berichtet Breymaier. Eine Kombination, wie auf Breymaier zugeschnitten: „15 Prozent sind Scheiße“, ist so ein unvergessener Satz von Breymaier aus der Vorwahlzeit. Am Ende waren es etwas mehr als 12 für die SPD. Und wo ihr Vorgänger als Finanzminister für den Verkauf Zehntausender Sozialwohnungen an private Träger verantwortlich war, sagt seine Nachfolgerin klipp und klar: „Man muss verstehen, dass Wohnungsknappheit AfD-Wähler produziert.“

Leni Breymaier hat auf ihrer Tour zur Basis ihre eigene Erfolgsformel für die SPD gefunden: die Partei für Leute, die nichts zu verkaufen haben „außer ihren Händen, ihren Kopf und vielleicht noch ihre Daten“. Das schließt Freiberufler genauso ein wie ein wachsendes Dienstleistungsprekariat. Die Formel könnte aus ihrer Sicht auch der Bundes-SPD auf die Beine helfen.

Der Landesvorsitz sei ihr „eher passiert“. Vier Monate lang war sie nebenher noch Gewerkschafterin. Ab Samstag kann sich Breymaier aller Voraussicht nach ganz auf die SPD konzentrieren. Für sie ein Rollenwechsel, für die Partei eine Kurskorrektur. Ausgang ungewiss.

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