: Ohne Angstschweiß
FUSSBALL I Nach anfänglichen Problemen ist Keeper Roman Bürki bei Borussia Dortmund zu einer Stütze geworden. Heute kann er sich wieder gegen Sporting Lissabon beweisen
Aus Dortmund Daniel Theweleit
Roman Bürki verfügt über einen beachtlichen Erfahrungsschatz, was internationalen Spitzenfußball betrifft. Der Torhüter von Borussia Dortmund war bei der WM in Brasilien, bei der EM in Frankreich, und er war mit dabei, als Borussia Dortmund in der vorigen Saison in der Europa League spielte. Und im Viertelfinale mit einem denkwürdigen 3:4 an der Liverpooler Anfield Road ausschied. Allerdings saß Bürki so gut wie immer auf der Bank, wenn das Flutlicht für die großen internationalen Duelle seiner Teams aufleuchtete. Insofern sammelt der 25-Jährige viele neue Eindrücke, jetzt, wo er endlich in der Champions League angekommen ist. Am heutigen Abend bestreitet Bürki gegen Sporting Lissabon erst sein drittes Europapokalheimspiel für den BVB, und das Publikum wird ein gutes Gefühl haben, wenn der Schlussmann in Aktion ist.
Während der vorigen Saison konnten viele Dortmunder sich solch ein Vertrauen nur schwer vorstellen. In seinem ersten Jahr beim BVB unterliefen Bürki nämlich nicht nur zwei, drei klare Torwartfehler zu viel, noch wichtiger war: Er war einer dieser Torhüter, die die Angstschweißproduktion seines Heimpublikums schüren. Wenn er nach Rückpässen unter Druck geriet, wehte regelmäßig ein Gefühl tiefer Sorge durch das Westfalenstadion, ein Gefühl, das natürlich am Selbstvertrauen des Torhüters nagte. Davon ist jetzt nichts mehr zu spüren. „Ich fühle mich viel besser als in der letzten Saison“, sagt er „am Anfang hatte ich meine Schwierigkeiten, was aber ganz normal ist, wenn man zu einem neuen Verein kommt.“
BVB-Trainer Thomas Tuchel hat den vom damaligen Absteiger SC Freiburg zum BVB gewechselten Schweizer behutsam an das neue Niveau herangeführt und erst mal nur in der Bundesliga spielen lassen. In den Pokalwettbewerben kam Altmeister Roman Weidenfeller zum Einsatz. Aber es war immer klar, dass Tuchel eigentlich Bürkis riskantere Spielweise sehen will. Eine offensive Grundhaltung hinter der hoch stehenden Abwehr, saubere Spieleröffnungen auch in enge Mittelfeldräume hinein. Am besten ebenso mit dem starken wie mit dem schwachen Fuß, was zwangsläufig zu Situationen führt, die gefährlich aussehen. Aber mittlerweile klappen diese Aktionen eigentlich immer. „Im zweiten Jahr hat er eine bemerkenswerte Entwicklung als Mensch, als Persönlichkeit, als Torhüter und als Spieler gemacht“, sagte Tuchel. „Seine Leistung ist ein absolutes Extralob wert“, zumal Bürki zuletzt sogar Spiele für seine Mannschaft gewann.
Das Hinspiel in Lissabon war so ein Torhüterabend, an dem er mit viel Ausstrahlung und großartigen Aktionen zum knappen 2:1-Sieg beitrug. Bürki ist endgültig angekommen beim BVB, und deshalb staunten viele Beobachter, als eine große Zeitung vor zehn Tagen berichtete, die Dortmunder arbeiteten an einer Verpflichtung des Kölners Timo Horn. Er habe in der Folge „gefühlte 10.000 SMS“ erhalten, berichtet Bürki „beunruhigt war ich aber nicht, unser Sportdirektor Michael Zorc hat täglich mit mir gesprochen und gesagt, dass an diesem Gerücht gar nichts dran sei“.
Die Torwartposition zu einer zusätzlichen Baustelle zu erklären, wäre tatsächlich seltsam. In der Abwehr, im Mittelfeld und auf den Außenbahnen gibt es genug unverrichtete Entwicklungsarbeit, und Bürki ist in seinem zweiten Dortmunder Jahr auch jenseits des Platzes zu einer Stütze für das fragile Gebilde geworden. Die Hierarchie im Kader ist ja mächtig durcheinandergeraten, nachdem Mats Hummels, Henrikh Mkhitaryan und Ilkay Gündogan Dortmund verließen. Bürki ist einer der Spieler, die Verantwortung übernahmen, „er ist im Sommer mit der Ausstrahlung eines großen Selbstvertrauens zu uns zurückgekommen, das macht ein paar Prozentpunkte aus, die man manchmal gar nicht beschreiben kann“, sagt Tuchel.
Zuvor litt er unter dem schweren Erbe, das er angetreten hat. Bürki kam mit der Aufgabe, die BVB-Legende Roman Weidenfeller zu verdrängen. Dieser Ablösungsprozess habe bei Bürki zu einer schwierigen Drucksituation geführt, sagt Tuchel, „aber durch den Umgang damit hat er an Persönlichkeit gewonnen“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen