zwischen den rillen
: LSD auf den zweiten Blick

­Morgan Delt: ­„Phase Zero“ (Sub Pop/ Cargo)

All jenen, die bei Morgan Delt nachhakten, worum es in „Barbarian Kings“, dem wunderbar spacigen und sonnendurchtränkten Überhit seines selbstbetitelten Debütalbums von 2014 denn ging, erzählte der Kalifornier gern, dass er durchaus eine Geschichte im Sinn hatte, als er den Song komponierte. Dass er damit aber nicht rausrücken wolle, denn: „Deine Story ist eh besser“.

Nun denn, interessante Kunst entsteht ja immer erst im individuellen Resonanzraum. Trotzdem lässt Delts lapidare Ansage einen aufhorchen, denn seine impressionistische und frei flottierende Psychedelic-Musik klingt tatsächlich wie die akustische Umsetzung des Papprohr-Kaleidoskops, in das man als Kind so gern geguckt hatte. Selbst bei minimalen Perspektivwechseln ergab sich darin immer ein anderes Bild. „Morgan Delt“ war eine Wundertüte, in der sich auch beim zwanzigsten Hören Neues entdecken ließ – und das, obwohl der Kalifornier mit den blonden Korkenzieherlocken, der selbst aussieht wie einer Zeitmaschine entstiegen, aus überschaubaren, zeitlich umrissenen Quellen schöpft, der Psychedelik der späten sechziger Jahre nämlich.

„Morgan Delt“ klang im Wesentlichen, als seien die „Strawberry Fields“ gestern erneut erblüht, angereicht war das mit einen bisschen Acid-Rock und Power-Pop. Gegenwart taucht allenfalls in homöopathischen Dosen auf, in Gestalt von Beats etwa, die von Soundbastlern wie Gonjasufi oder dem Gaslamp Killer stammen könnten. Doch wozu all das Gerede über das Debüt, wo es doch an dieser Stelle um den Nachfolger „Phase Zero“ gehen soll? Weil der äußerlich seinem Vorgänger so sehr gleicht, dass man beim Durchblättern im Plattenladen tatsächlich denken könnte: „Brauch ich nicht.“ Weil: „Hab ich schon“.

Das Cover hat dieselbe Bildsprache, ja verwendet gar die gleichen Farben wie „Morgan Delt“, und so erwartet man eine Weiterführung, die verschollenen Seite eines Doppelalbums, ein mindestens so buntes, funkelndes Kaleidoskop. Und wird gleich vom Auftaktsong „I Don’t Wanna See What’s Happening Outside“ bitter enttäuscht. Der klingt zwar hübsch und eingängig, aber auch erschreckend aufgeräumt. Hier franst, anders als auf dem Debüt, nichts aus, es gibt es kaum Verschmelzungen, die sich anhören wie die akustische Umsetzung eines LSD-Trips. „I Don’t Wanna See …“ ist allenfalls ein nostalgiegetränkter Popsong. Zugespitzt könnte man sagen: von der Sorte, wie man ihn auf einem Sampler an der Kasse bei Starbucks erwerben kann.

Allzu ungnädig will man eigentlich nicht sein, dazu hat Morgan Delt schon zu viel richtig gemacht. Und zum Glück bleibt es auch nicht auf Albumlänge so aufgeräumt, die LSD-Fransen tauchen wieder auf – wenn auch in gekämmter Form. Das Album wirkt bei den ersten Hördurchgängen wie ein Wattebausch: angenehm, aber kontrastarm.

Tatsächlich schälen sich nach einigem Hören die fein­gliedrigen Strukturen heraus, aus denen die Songs gebaut sind, zarte Melodien und Konturen

Man mag sich erst einmal nicht entscheiden, ob sich der circa 30-jährige Künstler mit seinem Album Numero zwei verdaddelt hat oder ob er um eine neue musikalische Sprache ringt, irgendwo zwischen Psychedelia und Dream Pop. Es adelt Morgan Delt, dass er es sich bei seiner Klangforschung nicht zu leicht macht, sondern nach Verfeinerung strebt. Lieblose „Instant Psychedelia“, bei der alles zusammengeworfen und achtlos durchgerührt wird, gab es in den letzten Jahren genug.

Und tatsächlich schälen sich nach einigem Hören die feingliedrigen Strukturen heraus, aus denen die Songs gebaut sind, zarte Melodien und Konturen. Auf Letztere war es beim Vorgänger gar nicht angekommen. Der hatte einfach im Sonnenlicht vor sich hin geglitzert, man konnte sich endlos daran laben, wie eine Klangwelle in die andere schwappt.

Liebe auf den ersten Blick ist Morgan Delts „Phase Zero“ nicht. Aber es ist eben auch nicht mehr der erste Blick. Delt hat sein Songwriting verfeinert und setzt nicht mehr nur auf überbordene Überwältigung.

Stephanie Grimm