: Erstaunliche Besonnenheit
Bundesliga Sie kommen allmählich an, in Europa, im Ligabetrieb und vor allem in der Weinzierl-Schule: Der FC Schalke 04 gewinnt auch das Sonntagsspiel gegen den FSV Mainz 05 ziemlich souverän mit 3:0 Toren
Es war nicht ganz klar, ob Benedikt Höwedes aufrichtig erstaunt oder einfach nur zufrieden war, als er sich veranlasst sah, ein paar grundlegende Worte an die Schalker Gemeinde zu richten. „Ich finde, dass wir unheimlich gut und sachlich mit dem Negativlauf umgegangen sind, keiner der Beteiligten hat den Kopf verloren“, sagte der Kapitän des FC Schalke rückblickend zum schweren Saisonanfang, der nach dem 3:0 gegen Mainz 05 vorerst überwunden ist. Nicht einmal Aufsichtsratschef Clemens Tönnies, der seit Jahrzehnten keine Krise unkommentiert ließ, hat einen Kommentar in die Welt geschickt. Diese erstaunliche Besonnenheit war das erste wichtige Indiz für den erhofften Wandel, spätestens seit dem späten Sonntagnachmittag ist nun auch sportlich klar, wie der FC Schalke der Zukunft aussehen soll.
Die Gelsenkirchener hätten seinem Team „den Schneid abgekauft“, sagte der Mainzer Trainer Martin Schmidt ein wenig floskelhaft, aber er traf den Kern. Denn Schalke spielte endlich diesen aktiven, von Leidenschaft geprägten Balleroberungsfußball, von dem Trainer Markus Weinzierl und Manager Christian Heidel seit Wochen sprechen. „Die Mannschaft versteht langsam, was für einen Fußball wir spielen wollen“, sagte Heidel. Und Weinzierl erklärte: „Das war genau der Auftritt, den wir von der Mannschaft erwarten, die Jungs wollten unbedingt gewinnen und sind an die Grenzen gegangen.“
Auf den ersten Blick mögen diese Worte nach Blut-und- Schweiß-Rhetorik aus dem vergangenen Jahrhundert klingen, aber in diesem Fall handelt es sich um die treffende Umschreibung einer mühevollen Entwicklungsarbeit. Wobei der Kennenlernprozess zwischen dieser zweifellos hoch begabten, aber charakterlich nur schwer durchschaubaren Schalker Mannschaft mit ihrem Trainer nicht ganz abgeschlossen. So hat Weinzierl beispielsweise im Sommer explizit auf den alten Star Klaas-Jan Huntelaar gesetzt, dem 33-Jährigen das volle Vertrauen ausgesprochen, wieder und wieder stellte er den Routinier trotz schwacher Leistungen auf. Doch die viel beschworene „Vorwärtsverteidigung“ funktionierte nicht mit dem Strafraumstürmer. „20, 30 Zweikämpfe“ müsse eine Spitze in diesem Spielkonzept pro Partie führen, sagte Heidel am Sonntag in Anspielung auf den heimlichen Helden des Tages: Franco Di Santo habe das „vorbildlich“ gemacht. Nebenbei hatte der Argentinier auch noch die ersten beiden Treffer vorbereitet, es war Di Santos wohl bestes Bundesligaspiel für Schalke bisher. Wahrscheinlich ist der größte Transferflop des Vorjahres jetzt erst mal Stürmer Nummer eins. Denn Breel Embolo fällt ja noch viele Monate mit seiner schweren Verletzung aus, und Huntelaar scheint nicht zu verstehen, was verlangt wird.
Allerdings glänzte nicht nur Di Santo als hingebungsvoller Arbeiter, auch Max Meyer, der kurz nach der Pause zum vorentscheidenden 2:0 traf, spielte mit einer erkennbaren Zusatzdosis Testosteron im Blut. „Das System kommt ihm zugute“, sagte Weinzierl, der eine Dreierkette, ein Fünfermittelfeld und eine Doppelspitze aufgestellt hatte. Meyer spielte ein wenig hängend neben Di Santo, wo er jenseits seiner Pass- und Dribbelkünste als Zerstörer gegnerischer Angriffsversuche so effektiv war wie selten. Und so wurden Meyer und Di Santo die gefeierten Helden, obwohl der starke Nabil Bentaleb zwei Treffer erzielt hatte. Das ist ein weiteres Indiz des Wandels; nicht mehr Momente und Tore von Individualisten wie Huntelaar oder Eric-Maxim Choupo-Moting bleiben in Erinnerung, sondern vortreffliche Mannschaftsleistungen.
Die Option zur nachhaltigen Zäsur bietet sich bereits am Wochenende (nach dem Pokalspiel in Nürnberg). Ein Sieg im Derby in Dortmund wäre zumindest in den Augen der Fans ein Glanzpunkt, der sich auf die ganze Saison auswirken würde.
Manager Christian Heidel
Daniel Theweleit
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen