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Nichts für Faule

OBERFLÄCHE Holz, poliertes Granit, Marmor, Stein oder Edelstahl: Über das optimale Material für die Arbeitsplatte in der Küche scheiden sich die Geister. Unsere Autorin meint, nur Holz ist das Wahre

von Ilka Kreutzträger

An der Küchenwand hängt heute, was mal meine erste Arbeitsplatte war. Es ist ein kleiner Schrank, ich schätze aus den 50ern, Sperrholz, orange lackiert, mit einem Aufkleber auf der rechten Schiebetür: F.D.H. steht da, weiß auf schwarz. Ob damit mal jemand „Friss die Hälfte“, „Freu Dich heute“ oder „Falte die Hose“ sagen wollte, weiß ich nicht.

Mir hat der kleine Aufkleber gefallen, darum ist er noch dran. Der Schrank hatte mal Beine und gehörte früher sicher auf den passenden Unterschrank –von dem war auf dem Sperrmüll, wo ich ihn fand und mitnahm, aber nichts mehr zu sehen. Bei mir stand der Schrank dann lange auf dem Küchenboden, er war so hoch wie der Herd und gab damit eine prima Arbeitsplatte ab, etwas schmal zwar, aber ein Schneidebrett passte drauf. In der nächsten Wohnung war kein Platz, um den Schrank auf den Boden zu stellen, also haben meine damalige Mitbewohnerin und ich ihm die Beine abgehauen. Seitdem hängt er an der Wand, mittlerweile über einer Arbeitsplatte aus Holz, dem einzig wahren Arbeitsplattenmaterial.

Bevor ich in meine jetzige Wohnung zog, waren meine Küchen entweder zu klein oder ich bin so schnell wieder ausgezogen, dass sich die Mühe nicht lohnte, eine echte Arbeitsplatte einzubauen. Als in meiner Wohnung aber vor einiger Zeit ein neues Küchenfenster eingebaut wurde, bat ich meinen Vermieter darum, gleich die Nachtspeicherheizung auf die andere Küchenseite zu verlegen. So wurde auf einmal eine ganze Wand frei für eine lange Arbeitsfläche –links Herd, rechts Spüle und dazwischen richtig viel Platz zum Schneiden und Abstellen, Ausrollen und Rumklehen.

Was finde ich schön, was passt trotzdem ins Budget und was ist für eine Mietwohnung sinnvoll? Diese Fragen waren ausschlaggebend bei meiner Plattensuche. Ich wollte eine Arbeitsplatte aus echtem Holz haben. Holz fühlt sich gut an, ist weich und trotzdem griffig. Holz ist warm und macht die Küche gemütlich. Mein Budget gab den Weg in den Baumarkt vor. Da hängen die Arbeitsplatten ja meist in einer der hinteren Ecken an der Wand, hochkant, zum Blättern wie bei einem Tapetenbuch, und die meisten Platten sind die Soll-aussehen-wie-XY-Variante.

Diese Spanplatten mit einer Oberfläche aus Kunststoff, meist aus sogenanntem High Pressure Laminat (HPL), sollen aussehen wie Granit, wie Marmor oder wie Holz. Richtig fies! Wenn schon unbedingt Kunststoff, dann soll das auch so aussehen, von mir aus schwarz-weiß kariert oder knallrot oder so. Das Gute ist aber, dass diese Platten günstig sind und recht robust. Jedenfalls so lange, bis irgendwo der Kunststoff abplatzt, die Pressholzplatte Wasser zieht und aufquillt. Man muss also behutsam mit ihnen umgehen, wenn man länger etwas davon haben will. Schiefer, Granit oder Marmor sind da deutlich robuster, Wasser stört sie nicht, Hitze auch nicht und sie sind ziemlich kratzunempfindlich. Das kostet natürlich, eine Granitarbeitsplatte beispielsweise pro Meter rund 250 Euro.

Es gibt auch Platten aus Keramik oder Glaskeramik. Aber diese harten Untergründe sind nichts für Leute, denen mal was runterfällt. Ich bin schon auf Keramik reingefallen als ich mich gegen ein Edelstahlspülbecken und für eines aus weißem Keramik entschied. Allein der Optik wegen. Das ist aber Murks. Drei Tassen sind mir schon kaputtgegangen, aus der Hand gerutscht und zerbrochen. Um jede Tasse tut es mir leid. Außerdem ist ein Sprung in der Schüssel, der wandert quer durch und wird immer noch länger und länger. Der Fehler war, dass ich die Spüle in das extra ausgesägte Loch einsetzte, bevor ich die Platte auf dem Kantholz an der Wand festgeschraubt habe. Dadurch ist offenbar eine solche Spannung entstanden, dass die Spüle riss. Amateurin! Ich habe gleich eine neue Spüle besorgt, wollte die kaputte ausbauen und zurück in den Baumarkt bringen. Nun ja, die Rissspüle ist noch immer in der Küche und die neue steht in ihrer Verpackung neben meinem Schreibtisch.

Im Prinzip ist fast jedes harte Material denkbar, es werden sogar Arbeitsplatten aus Glas angeboten, was ich befremdlich finde. Wer will durch seine Arbeitsplatte durchschauen? Darunter gibt es wirklich nichts Sehenswertes –außer Staubmäusen und Co. Nach oben ist in der Preisskala von Küchenarbeitsplatten übrigens keine Grenze gesetzt, da können Leute richtig durchdrehen, wenn sie nicht wissen, wohin sonst mit ihrem Geld. So schwärmte gerade erst die Neue Zürcher Zeitung von Arbeitsplatten aus Beton, das wegen der rauen Oberfläche Loft-Charakter und industriellen Charme versprühe. Für Loft-Charakter ist meine Küche zu klein, so rau kann eine Oberfläche gar nicht sein, dass sich das ändert. Kommt also auch nicht infrage.

Ich will Holz. In der Bar meines Freundes haben wir den Tresen selbst gebaut –aus einer Eiche. Ein großartiges Material, aber ehe die Oberfläche nicht mehr aussieht wie ein zersägter Baum, sondern wie eine Arbeitsfläche, braucht es schier unzählige Schleifgänge und man muss diverse Male ölen, warten, ölen, warten, polieren, ölen. Viel Arbeit also, man braucht das richtige Werkzeug, Geduld und Zeit, dann aber ist das Ergebnis wirklich wunderschön.

Zu viel Aufwand für meine Küche. Da ist es letztlich nur eine Echtholzvariante geworden –und zwar eine Leimholzplatte aus Eiche. Die besteht auch ganz und gar aus Holz und tut nicht nur so. Diese Platten sind bloß nicht aus einem Stück Holz, sondern, wie der Name ja sagt, aus vielen Holzstäben zusammengeklebt. Das macht die Verarbeitung deutlich leichter.

Hätte ich meine Arbeitsplatte nach dem Kauf noch besser behandelt, wäre sie auch noch resistenter gegen Feuchtigkeit, vielleicht sähe man auch nicht so viele von Messern hinterlassene Riefen und vermutlich müsste ich auch nicht so schrubben, um etwa Hefeteigreste von der Oberfläche zu entfernen. Und ich müsste auch nicht ständig die Fläche um den Wasserhahn herum mit Olivenöl einschmieren, um zu verhindern, dass das Holz dort vom Wasser angegriffen wird. Aber für meine Faulheit kann das Material ja nichts.

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