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Charlie, ein richtiger Deutscher

Adel Gegen Demokratie, Bolschewismus und die Juden: In „Hitlers heimliche Helfer“ zeigt Karina Urbach, wie Adlige als Mittelsmänner für die Nazis arbeiteten

Der Herzog von Coburg besucht als DRK-Präsident 1941 das besetzte Frankreich Foto: Ullstein Bild

von Ulrich Gutmair

Nach 1945 brachte der Adel Glamour in den schnöden Alltag einer kleinbürgerlichen Leserschaft, die lernen konnte, dass auch Hochgeborene Krach mit der Schwiegermutter haben und sich mit ungeratenem Nachwuchs herumschlagen müssen. Die Royals verkörperten nun aber auch eine untergegangene Welt, die noch ganz und gar in Ordnung gewesen sein sollte.

Damit dieses Bild ungetrübt bleibe, achten die königlichen Archive in England, Schweden und anderswo noch heute darauf, dass heikles Material nicht ans Licht der Öffentlichkeit gelangt. Manchmal aber flutscht doch was durch. Vor Kurzem etwa die Filmaufnahmen von den beiden Mädchen im Garten, deren Mutter den Arm zum Hitlergruß erhebt, worauf ihr Onkel die Mädchen ermuntert, es ihr gleichzutun. Die Kinder waren die spätere Queen Elizabeth II. und ihre Schwester Margaret. Die Aufnahmen entstanden um das Jahr 1933.

Der Film-Onkel wurde wenige Jahre später König von England. Eduard VIII. war Antisemit, bewunderte die deutsche Regierung und war einem Bündnis zwischen beiden Ländern nicht abgeneigt. Als er 1936 gekrönt wurde, wähnte sich Carl Eduard Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha am Ziel. Er hatte jahrelang im Auftrag Hitlers mit seinem britischen Verwandten Eduard engen Kontakt gepflegt.

Coburgs Aktivitäten als „go-between“ stehen im Zentrum von Karina Urbachs extrem gut recherchierter und lesbarer Studie „Hitlers heimliche Helfer. Der Adel im Dienst der Macht“. Urbach beginnt ihr Forschungsunternehmen mit der Geheimdiplomatie im Ersten Weltkrieg. Als weitere Beispiele für Go-Betweens im Dienst der Nazis dienen ihr Stephanie zu Hohenlohe und Prinz Max Egon zu Hohenlohe-Langenburg.

Der Fall Carl Eduards ist insofern besonders interessant, als seine Vita früh vom Nationalismus geprägt ist, den viele Adlige als Bastion gegen Demokratie, Liberalismus, Sozialismus und Bolschewismus betrachteten. Der Nationalismus erschien ihnen das kleinere Übel, auch wenn er die meist transnational verheirateten und vernetzten Adelsfamilien in Rechtfertigungszwang brachte.

Carl Eduard wurde 1884 als Charles Edward in England geboren, „Charlie“ gerufen. Sein Vater Leopold, einer der Söhne Queen Victorias, hatte eine deutsche Adlige geheiratet. Nach dem Suizid von Charlies Cousin Alfred, des einzigen Sohns und Erbprinzen des Herzogs von Sachsen-Coburg und Gotha, versuchte die britische Königin erst einen ihrer Söhne als designierten Nachfolger einzusetzen. Doch die deutsche Presse forderte lautstark „deutsche Throne nur für deutsche Prinzen“. Charles Edward, Sohn einer deutschen Mutter, schien noch jung genug, um in Deutschland zum echten Deutschen werden zu können. Kaiser Wilhelm II. nahm ihn als Ziehsohn auf, behandelte ihn brutal und lehrte ihn die Verachtung des Parlaments.

Aus Charlie wurde Carl Eduard, ein „richtiger Deutscher“, der sich nach dem Ersten Weltkrieg der chauvinistischen, antisemitischen und terroristischen Rechten anschloss. Bald spielte er eine wichtige Rolle als Patron und Finanzier der bayerischen Freikorps, am Kapp-Putsch war er zumindest indirekt beteiligt. Dann schwenkte er zur ­NSDAP um. Coburg wurde 1929 zur ersten Stadt in Deutschland, die von den Nazis regiert wurde.

Hitler hatte ein ambivalentes Bild vom Adel, wusste aber dessen Prestige und internationale Verbindungen für seine Zwecke einzusetzen. Der Herzog von Coburg war ihm treu zu Diensten. In geheimer Mission und als Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, das über die Vernichtungslager im Osten früh informiert war.

Der Herzog war nicht allein. Urbachs Studie zeigt en passant an vielen Beispielen, wie groß die Affinität zu nationalistischen und faschistischen Bewegungen unter europäischen Adligen war. Die Deutsche Adelsgesellschaft führte bereits 1920 einen Arierparagrafen ein.

Karina Urbach:„Hitlers heimliche Helfer.“ Aus d. Engl. v. C. Hartz. ­Theiss, Darmstadt 2016, 464 S., 29,95 Euro

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