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Allein es fehlt der Glauben

Religion Die gute Nachricht: Nächstes Jahr gibt es einen Feiertag mehr, in Erinnerung an Luther und die Reformation. Mit dem „Reformationsjahr“ ab Montag will die evangelische Kirche den Blick auf sich lenken – in einer wenig frommen Stadt

von Claudius Prößer

Diesmal muss noch gearbeitet werden. Wenn die evangelische Kirche am Montag daran erinnert, dass vor 499 Jahren ein Wittenberger Theologieprofessor mit seinen 95 Thesen zum Ablasshandel tiefgreifende kirchliche und gesellschaftliche Veränderungen anstieß, wird das in Berlin wie üblich fast unbemerkt geschehen. Das zeitgleich zum Reformationstag begangene Gruselfest Halloween ist ungleich populärer. Allerdings beginnt an diesem Montag gleich ein ganzes Reformationsjahr. Und zum Abschluss, zum 500-Jährigen, schenkt Deutschland seinen BürgerInnen einen zusätzlichen, einmaligen Feiertag. Martin Luther sei Dank.

Auch in Berlin wird in den kommenden zwölf Monaten viel von Luther und der Reformation die Rede sein. Ganz besonders im Mai, wenn rund 150.000 Menschen zum Kirchentag nach Berlin kommen sollen, der allerdings mit einem Festgottesdienst in Wittenberg endet, wo 1517 alles anfing. Denn in Berlin war Luther nie. Das Hohenzollern-Residenzstädtchen an der sumpfigen Spree war einfach nicht relevant genug, und in seiner zweiten Lebenshälfte verließ der vom Papst Geächtete ohnehin kaum noch das sichere Kurfürstentum Sachsen.

Evangelisch wurde Berlin erst 1539 – da holte Kurfürst Joachim II. die Reformation nach Brandenburg, indem er sich in der Spandauer St.-Nikolai-Kirche das Abendmahl nach lutherischem Ritus reichen ließ. Städtebaulich war die Abspaltung von Rom vorteilhaft: Weil Joachim Kirchenbesitz beschlagnahmte, konnte er Großprojekte wie den Bau der Spandauer Zitadelle und die Anlage des Kurfürstendamms finanzieren. 150 Jahre später profitierte Berlin von den Nachwehen der Reformation, als der Große Kurfürst 20.000 protestantische Franzosen – die Hugenotten – aufnahm.

Später wurde die preußische Hauptstadt doch noch zur evangelischen Hochburg. Mitgründer ihrer Universität war mit Friedrich Schleiermacher einer der bedeutendsten protestantischen Theologen überhaupt. Aber schon um die Wende zum 20. Jahrhundert standen die zahlreichen, teils prachtvollen Kirchen in keinem Verhältnis zur Religiosität der Menschen. Das proletarische war eben auch das „gottlose“ Berlin.

Dass Menschen zwar Gutes tun, aber ­immer weniger im Glauben verankert sind – für Luther wäre das ein Gräuel

Die Geschichte der evangelischen Kirche im Nationalsozialismus war schließlich eine unrühmliche, mit den bekannten Ausnahmen (Bonhoeffer, Niemöller und andere). Nach dem Krieg war die Stadt auch in Glaubensdingen gespalten. Im Osten setzte eine staatlich gewollte Entkirchlichung ein, der Westen war nur wenig frömmer. Dieser Trend hält an: Dieser Tage wird bekannt werden, dass die Zahl der Protestanten in Berlin und Brandenburg unter die Millionenmarke gerutscht ist. Und sonntags sind die Kirchen leer.

Damit wird der Spagat für die Kirche, die einmal Staatskirche war, immer größer: Noch wird ihre Stimme gehört, ihr gesellschaftliches Engagement ist in Zeiten der massenhaften Flucht bedeutend. Andererseits nehmen immer weniger Menschen die Kernbotschaft ernst oder überhaupt wahr.

Dass Menschen zwar Gutes tun, aber immer weniger im Glauben verankert sind – für Luther wäre die Vorstellung ein Gräuel gewesen. Allerdings ist der Reformator längst selbst ein Problemfall: Die Präsidentin des kommenden Berliner Kirchentags, Christina Aus der Au, sagte unlängst, aufgrund seiner Judenfeindlichkeit hätte Luther heute keine Chance, eingeladen zu werden.

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