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Eine gute Ernte

Garten Das integra-tive Modellprojekt „Querbeet“ aus Osnabrück öffnet Flüchtlingsfamilien den Weg in Kleingartenvereine wie die „Deutsche Scholle“. Vor allem für die Kinder ist das ein Stück Freiheit im Grünen

von Harff-Peter Schönherr

Herzige Putten, markige Deutschlandflaggen und akkurat gestutzte Hecken: Der Osnabrücker Kleingartenverein „Deutsche Scholle“ sieht aus wie ein Spießertraum. Es gibt einen Schlagbaum. Einer der Wege ist nach einem Weihnachtsmann-Schlumpf benannt. Und an einer Gartenpforte, ganz vorn am Eingang, gleich rechts, baumelt ein Ehrenschild: „Gärtner des Jahres“.

Aber die 100-jährige Anlage mit ihren 700 Gärten ist keine Klischeezone. Und so urdeutsch ihr Name klingt, so international ist sie. Denn da sind Gärten wie der von Said Alzarzuor und Ruola Alhussin. Seit sieben Monaten bewirtschaftet die syrische Flüchtlingsfamilie Parzelle Nummer 181 – 550 Quadratmeter groß. Said Alzarzuor, der 2014 aus Damaskus geflohen ist, erinnert sich: „Als wir ihn übernahmen, sah hier alles ziemlich wild aus.“

Wege hat er seit dem gepflastert, Terrassenplatten verlegt, Rasen gepflanzt, Sträucher, Bäume. Jahrelang hat der Garten leer gestanden, das Häuschen war ein Sanierungsfall. Jetzt sieht alles gepflegt aus, frisch, ordentlich. Said Alzarzuor schaut zum Fußball und auf eine Spielzeugburg: „Eine Schaukel wär schön.“ Pause. „Naja, irgendwann vielleicht.“ Die Kinder Ahmad (10), Hanin (7) und Alin (1) sind auch ohne zufrieden. Ihnen hat es vor allem der riesige Gartenzwerg angetan, den sie beim Aufräumen gefunden haben. „Der lacht so schön!“, sagt Ahmad.

Garten 181 ist Teil des Anfang 2016 gestarteten Modellprojekts „Querbeet.Umweltbildung und innovative Flüchtlingsintegration“. Das hat starke Schultern: Initiiert vom Kinderhilfswerk „terre des hommes“ (TDH), wird es von der „Deutschen Bundesstiftung Umwelt“ (DBU) gefördert. Gabi Gaschina, Bereichsleiterin der Gesellschaft für Kinder- und Jugendhilfe „Outlaw“, ist zuständig für die operative Ebene: Dass DBU und TDH ihren Sitz in Osnabrück haben, sagt sie, „das hat natürlich geholfen“. Zuständig für den wissenschaftlichen Überbau ist die Hochschule Osnabrück.

Fünf Gärten umfasst „Querbeet“ bis jetzt. Vier gingen an syrische Familien, der fünfte an eine Familie aus Mazedonien. Alles Familien mit Kindern und hoher Bleibeperspektive. Emil Zuleia, Vorsitzender der „Deutschen Scholle“, sagt: „Wir hoffen, dass sich auch andere Vereine für die Idee der Integration öffnen.“

Einer, der das schon getan hat, ist der Osnabrücker „Kleingartenverein Süd“. Hier liegt der fünfte „Querbeet“-Garten – übriges Zaun an Zaun mit dem „Interkulturellen Garten Sonneneck“ des Osnabrücker Mütterzentrums. Kids aus 46 Nationen nutzen ihn.

Ruola Alhussin, Alin auf dem Arm, pflückt sich einen kleinen roten Apfel von den noch jungen Zweigen. „In Damaskus hatten wir Orangen im Garten. Und einen Olivenbaum“, erzählt sie, „da haben wir unser eigenes Öl gepresst.“ Sie lacht, rückt Alins Schnuller zurecht. „Komm, jetzt ernten wir Zucchini.“ Stachelbeeren wachsen hier auch, Himbeeren. „Und Erdbeeren!“, ruft Hanin und schiebt ein paar Blättchen beiseite: „Hier ist eine. Ganz rot. Die schmecken gut!“ Ihr Deutsch ist perfekt. „Nur die Tomaten hatten es schwer“, sagt Said Alzarzuor, „nächstes Jahr bauen wir ein Gewächshaus. Da können die Kinder dann helfen.“ Und dann erzählt er. Vom Krieg. Von all dem Unfassbaren, vor dem er seine Familie in Sicherheit gebracht hat. Er schüttelt den Kopf, bitter: „Man muss doch offen sein füreinander!“ Wie die alteingesessenen Kleingärtner ihm begegnen? „Die sind nett. Wir helfen uns, trinken Kaffee, lachen zusammen. Ahmad hat hier sogar einen Mitschüler getroffen, dessen Eltern haben auch einen Garten.“ Gerade flitzt Ahmad zum Gartentor raus, Hanin hinterher: „Auf den Spielplatz!“

Said Alzarzuor organisiert beim Osnabrücker Flüchtlingszentrum „Exil“ Begegnungsabende. In den Garten kommt er jeden Tag. „Auch zum Deutschlernen. Es ist so ruhig hier.“ Ruola Alhussin: „Das hier ist ein Stück Freiheit, gerade für die Kinder!“ Ihre Wohnung liegt mitten in der Innenstadt. Wenig Grün, viel Abgase.

Es gibt Saft. Erdnussflips kommen auf den Tisch. Gabi Gaschina: „Klar, es ist hier nicht alles nur rosarot. Es gibt auch kritische Stimmen unter den Vereinsmitgliedern. Aber der Verein selbst unterstützt uns sehr.“ Die Gärten gab es ohne Ablöse, nur für die reine Pacht. „Aber er profitiert ja auch von unseren Familien. Sie sorgen für Belebung, sind sehr aktiv.“

Alle acht Wochen setzen sich alle Beteiligten zusammen: Was läuft, was nicht? Bis jetzt läuft alles, sagt Projektkoordinatorin Farina Schubert: „Vielleicht kommen noch weitere Gärten dazu. Beide Vereine sind dafür offen.“ Idealerweise läuft dann am Ende alles von allein, ohne Hilfe: „Ende 2017 wollen wir uns überflüssig gemacht haben.“

Henriette Haensch, Referentin Flucht und Migration bei TDH sagt: „Der Ansatz ist sehr vielschichtig. Verbesserung der Sprachkenntnisse, Umweltbildung, soziale Eingliederung, Obst und Gemüse für den Eigenbedarf, Rückzugsräume für Kinder.“ Und es gibt gleich zwei Zielgruppen: „Die Geflüchteten. Und die Alteingesessenen gleichermaßen. Integration muss ja von beiden Seiten funktionieren.“ Niedrigschwellig funktioniere das am besten, sagt Gabi Gaschina – „wenn sie möglichst konkret ist. Und unser Instrument hier ist eben gemeinschaftliches Gärtnern.“

Integration ins Vereinsleben? Für Ruola Alhussin kein Problem. Zum Erntedankfest, Anfang Oktober, hat sie syrisches Essen mitgebracht.

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