: Nicht für den Arsch
FinanzenWeil Berlin so gut haushaltet, will der Bund nicht mehr so eng kontrollieren, sagt Senator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD)
von Stefan Alberti
Berlin, mit 59 Milliarden Euro alter Schulden Fast-Haushaltsnotlageland, bekommt jetzt offiziell bescheinigt, auf dem Weg der Besserung zu sein. Weil das Land inzwischen schon seit längerem keine neuen Schulden mehr macht, soll die enge Überwachung durch den Bundesfinanzminister und ein Gremium namens Stabilitätsrat wegfallen – sagt zumindest Matthias Kollatz-Ahnen. Der Mann, der seit fast zwei Jahren für die SPD Finanzsenator ist und es auch bleiben will, sagte dazu nach der Senatssitzung am Dienstag: „Es gibt noch Stabilität in Berlin, und die Stabilität steigt sogar.“
Steigende Stabilität hat zwar der Logik nach etwas Instabiles, aber der Finanzsenator wollte auf etwas anderes hinaus. Dass nämlich Berlin, das 2010 wie drei andere Bundesländer eine drohende Haushaltsnotlage attestiert bekam, sich offenbar den Respekt der Länder und der Bundesebene erworben hat. Seit 2012 gibt es keine neuen Schulden, und von den zuvor aufgehäuften hat die rot-schwarze Koalition drei Milliarden getilgt. Da müsse man nun nicht mehr alle halbe Jahre beim Stabilitätsrat, dem von Bund und Ländern besetzten Kontrollgremium, vorstellig werden, um Fortschritte zu dokumentieren.
Die Quadratur des Kreises: Trotz gelockerter Kontrolle sollen weiter jährlich jene rund 80- Hilfs-Millionen-Euro nach Berlin fließen und dazu beitragen, dass das Land auch 2020 und danach ohne Kredite auskommt. Dann nämlich gilt für die Bundesländer die 2009 beschlossene sogenannte Schuldenbremse. Der Bundeshaushalt muss bereits ab dem laufenden Jahr ohne Kredite auskommen.
Kollatz-Ahnen zeichnete generell ein positives Bild der Berliner Finanzen. War er Ende vergangener Woche noch so verstanden worden, als schränke die geplante bundesweite Steuersenkung die Möglichkeiten der mutmaßlichen künftigen rot-rot-grünen Koalition ein, so sah er am Dienstag in der Reform keine Gefahr.
Die vor drei Wochen aus ihrem Posten geschiedene vormalige Senatssprecherin und Staatssekretärin Daniela Augenstein (SPD) ist nicht im vorläufigen Ruhestand, sondern wird offiziell entlassen. Für ersteres hätte sie fünf Jahre im Staatsdienst sein müssen, was nach Prüfung des Landesverwaltungsamts nicht der Fall war. Augenstein, bis dahin Sprecherin der Berliner SPD, war 2011 Sprecherin der damals von Michael Müller geführten Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geworden. Nachdem Müller Ende 2014 Regierungschef wurde, machte er sie zur Senatssprecherin im Rang einer Staatssekretärin. Für eine Übergangszeit von 21 Monaten erhält Augenstein nun rund 72 Prozent ihres bisherigen Gehalt. (sta)
Zwar soll durch die Steuersenkung deutlich weniger Geld nach Berlin fließen – in diesem Jahr rund 81 Millionen weniger, im nächsten rund 160 und im Jahr 2019 über 180 Millionen. Doch Kollatz-Ahnen hält es für möglich, das zu kompensieren, ja sogar „zu überkompensieren“. Das soll über eine bessere Erfassung der tatsächlich in Berlin Lebenden geschehen – und zwar nicht nur der Flüchtlinge, sondern auch der oft noch in ihrem Heimatort gemeldeten Studenten und derjenigen, die hier auf Basis der EU-Freizügigkeitsverordnung arbeiten.
Denn die Verteilung der vom Bundesfinanzministerium eingezogenen Steuern richtet sich nach der Einwohnerzahl. Mit Noch-Innensenator Frank Henkel (CDU) will Kollatz-Ahnen demnächst über eine bessere Registrierung reden.
Nicht zu überhören war seine Ansage Richtung künftiger Koalitionspartner in Sachen Schuldenabbau – vor allem die Linkspartei will lieber nur investieren statt zu tilgen: „Meine Position ist, dass wir da noch was tun sollten und tun müssen.“
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