piwik no script img

Von Metallfiguren verführt

Ausstellung Der Kunstverein Langenhagen zeigt die Blechobjekte der französischen Künstlerin Caroline Mesquita. Die stellt die Figuren nicht einfach auf, sondern flirtet mit ihnen im Stop-Motion-Video

Beim Begriff Metallskulptur denkt man an einen Heroen wie Richard Serra und seine stadträumlich wirksamen Großobjekte aus verrostetem Stahl. Auch an die anthropomorph abgeleiteten Plastiken von David Smith, die konstruktiv anmutenden Schrott-Collagen von Anthony Caro oder die absurd poetisch Maschinen von Jean Tinguely, die zumeist auch aus Metallschrott bestehen. Es gibt aber auch die vielen Scheußlichkeiten mit eher kunsthandwerklichem Habitus, die Plätze, Atrien großer Firmenzentralen oder Grünräume besiedeln. Sie haben das bildnerische Genre in den letzten Jahrzehnten diskreditiert.

Umso mutiger, wenn sich eine junge Künstlerin wie die Französin Caroline Mesquita, die 1989 in Brest geboren wurde, nun daran wagt. Wenngleich ihre Metallobjekte nur im Innenraum bestehen müssen sowie als Akteure in Videos. Dafür greift Mesquita zu dünnem Messingblech, aus dem sie Röhren, konische Formen und Schlaufen biegt und sie zu lebensgroßen, marionettenartig beweglichen Wesen mit betont lasziver Ausstrahlung zusammenfügt.

Deren abstrahierter Naturalismus wird durch körperhafte Bemalung oder Verletzungen aus Oxidationsspuren unterstrichen. Für den Kunstverein Langenhagen hat sie nun rund ein Dutzend filigraner Protagonisten erschaffen und zu einer munteren Mini-Orgie arrangiert. Alles wurde vor Ort geflext, bemalt, Scharniere wurden geschraubt. Ein Schachbrettboden aus Blechtafeln ist die Basis, ein geschweißtes Gestell hält, einem Spiegel ähnlich, einen Monitor vor die Szene, zeigt die Figurinen in Aktion. Auch dieses Video wurde eigens für die Ausstellung produziert. Sie ist die erste institutionelle Einzelausstellung Mesquitas in Deutschland. Als Gastkuratorin fungierte die Französin Valérie Chartrain, Mitglied des Kollektivs Pétunia, das auch ein feministisches Kunstmagazin herausgibt.

Offenkundig feministisch scheint aber die Kunst Caroline Mesquitas nicht. Ihre Figuren verorten sich lieber – vielleicht unbewusst – in der Kunstgeschichte. Vor allem, wenn die Figuren im Stop-Motion-Standbild-Verfahren für ein Video animiert sind, erinnern sie an das Triadische Ballett. Das ist ein experimentelles Bewegungstheater, das der Maler Oskar Schlemmer ab 1912 in Stuttgart entwickelte. Eine Aufführung 1923 in Weimar, im Rahmen einer Bauhaus-Ausstellung, ließ es zur Bauhauslegende werden.

Schlemmer ging es um die wechselseitige Durchdringung von Form und Raum. Bewegung und theatralische Momente wurden Bestandteile der Plastik. Seine Akteure sind Tänzer, in ihren Kostümen werden sie zu Skulpturen aus Primärformen wie Kegel, Zylinder oder Kugeln. Sie sind Zwitter aus Mensch und Maschine.

Mesquita zitiert aber, nun explizit, einen weiteren Mythos, nämlich den von Pygmalion und Galatea. Der von den zügellosen Frauen enttäuschte Künstler Pygmalion schuf sich seine Idealfrau als lebensgroße Statue. Er verliebte sich in sie und verführte sie, denn Göttin Venus erweckte sie ihm zuliebe zum Leben. In ihrem erotisch konnotierten Video schlüpft Mesquita in wechselnde Rollen als Mann und als Frau, lässt sich von ihren Metallfigurinen andeutungsweise verführen oder wird selber tätig.

Sie durchkreuzt die Rollen der Geschlechter, agiert aktiv, wird selber zur Maschine, reagiert passiv, etwa wenn sie mit starr entseeltem Blick dem Treiben beiwohnt. Das mag nicht zur feministischen Qualifikation reichen, bietet jedoch ein unterhaltsames Spektakel, das frisch und, wie es scheint, recht unbedarft soziale Stereotypen aber auch sakrosankte Topoi der Kunstgeschichte munter durcheinander wirft.

Bettina Maria Brosowsky

Caroline Mesquita „Pink Everywhere“: bis 6. November im Kunstverein Langenhagen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen