Apathiedes Sieges

TRIATHLON Jan Frodeno steht an der Spitze einer Gruppe deutscher Ausdauertalente, die in diesem Jahr den Ironman auf Hawaii mustergültig aufgemischt hat

Deutsche Eisenmänner: Frodeno (M.), Kienle und Lange lassen es folkloristisch krachen Foto: imago

von Frank Hellmann

Sicher ist, dass etwas Herzhaftes auf den Tisch kommt. Das wünscht sich Jan Frodeno, der sagt, wegen der ganzen süßen Gels und Getränke könne er nach einem Rennen gar nichts anderes konsumieren. Irgendwo in einer angesagten Location am Alii Drive von Kailua Kona wird Sebastian Kienle den Sieger wie abgemacht zum Essen einladen, um die alljährliche Wettschuld nach dem diesjährigen Ironman Hawaii einzulösen. Und um einen aus deutscher Sicht historischen Wettkampf aufzuarbeiten. Am besten bitten die Heroen der 40. Auflage auch gleich noch Patrick Lange hinzu, der als Neuling auf Big Island den deutschen Dreifachtriumph perfekt machte.

Frodeno Erster (120.000 Dollar Preisgeld), Kienle Zweiter (60.000), Lange Dritter (40.000) – das gab es nur einmal: 1997 hatten Thomas Helllriegel, Jürgen Zäck und Lothar Leder ebenfalls das Podium besetzt. Diesmal reihten sich mit An­dreas Böcherer (Fünfter) und Boris Stein (Siebter) noch weitere Athleten nach der Tortur auf der Trauminsel vorn ein. „Es ist gerade Wahnsinn, was in Deutschland im Triathlon abgeht“, sagte Frodeno, „die nächsten Jahre werden spannend.“ Der wechselweise in Spanien und Aus­tralien lebende und trainierende Hüne bestätigte eindrucksvoll, warum er die Auszeichnung als „Deutschlands Sportler des Jahres“ bekam. Die Bilder mit seinem zum Jahreswechsel in Down Under geborenen Sohnemann Lucca auf dem Arm als auch sein Dank an Ehefrau Emma („Ab sofort muss wohl ich wieder aufstehen. Ohne sie hätte ich es nicht geschafft“) gaben einer erneut übermenschlich anmutenden Leistung eine menschliche Note.

1. Daniela Ryf (SUI) 8:46:46 Std.

2. Mirinda Carfrae (AUS) + 23:44

3. H. Jackson (USA) + 24:46

4. Anja Beranek (D) + 27:40

5. Kaisa Lehtonen (FIN) + 28:54

6. M. Vesterby (DAN) + 32:19

7. S. Piampiano (USA) + 35:45

8. Lundstrom (SWE) + 36:13

9. Lucy Gossage (GB) + 39:11

10. C. Lester (AUS) + 41:31

... 26. K. Möller (D) + 1:11:39

...27. V. Walter (D) + 1:14:15

...31. Konschak (D) + 1:29:06

Siegerin 2015: D. Ryf (SUI)

2014: Mirinda Carfrae (AUS)

2013: Mirinda Carfrae

2012: Leanda Cave (GB)

2011: Chrissie Wellington (GB)

2010: Mirinda Carfrae

2009: Chrissie Wellington

Als der 35 Jahre alte Titelverteidiger nach 8:06:30 Stunden qualvollen Stunden völlig erschöpft das Ziel erreichte, wirkte er beinahe apathisch. Und auch später, nachdem er mit der stacheligen Krone auf dem Kopf den Sekt verspritzt hatte, konnte Frodeno die Gefühle nicht so recht zusammenfassen. Es sei am Ende nur um die Leidensfähigkeit gegangen – und da kann Frodeno wie kein anderer in eine Parallelwelt abgleiten. „Ich habe noch nie so gelitten, das ist die absolute Hölle“, stammelte der in Köln geborene, aber in Kapstadt aufgewachsene Weltbürger, der seinen erneuten Triumph „noch ein Stück süßer“ einstufte. Nur Normann Stadler (2004 und 2006) hatte es bisher geschafft, sich zweimal in die Siegerliste einzutragen.

Herausforderer Kienle hatte ihn nach dem gemeinsamen Wechsel vom Rad auf die Laufstrecke zu einem Zweikampf getrieben, der an den „Ironwar“ zwischen Mark Allen und Dave Scott 1989 erinnerte. Damals waren die beiden US-Stars stundenlang schweigend Seite an Seite geschwommen, geradelt und gelaufen. Nun wiederholte sich die Inszenierung, nachdem die 3,8 km Schwimmen im Pazifik und 180 km Radfahren auf dem Highway keine Vorentscheidung gebracht hatten.

Newcomer Lange hätte ohne Zeitstrafe siegen können

Nach dem Trashtalk und 15 Marathon-Kilometern musste Kienle abreißen lassen. „Ich war wieder ganz klar der Erste – der erste Verfolger von Jan“, erklärte der 32-Jährige im Ziel. Er habe versucht, „es Jan so schwer wie möglich zu machen, aber er ist einfach der Stärkste.“ Noch. Denn wie Phönix aus der Vulkanasche stieg ein Neuling, den nur Insider auf dem Zettel hatten. Der aus dem hessischen Bad Wildungen stammende Lange sorgte für die eigentliche Sensation, den nie und nimmer war damit zu rechnen, dass der Überraschungssieger des diesjährigen Ironman Texas beim Hawaii-Debüt aufs Podium klettern könnte. „Das sind 1.000 Geburtstage, Ostern und Weihnachten zusammen in zehn Sekunden. Ich habe aber auch ganz viel gelernt“, beschrieb der 30-Jährige seine Achterbahnfahrt, denn nach einer Zeitstrafe wegen Windschattenfahrens verlor der von Altmeister Faris Al-Sultan trainierte Überflieger mehr als fünf Minuten in der Strafbox. Mehr als eine hypothetische Frage, was angesichts von 4:44 Minuten Rückstand auf Frodeno möglich gewesen wäre.

Ganz nebenbei pulverisierte der einstige Moutainbikefahrer die fast zwei Jahrzehnte gültige Marathon-Bestmarke der Hawaii-Legende Allen – Patrick Lange steht nun mit 2:39:45 Stunden in den Annalen als schnellster Läufer. Nicht nur Jan Frodeno glaubt zu wissen: „Patricks steile Reise ist noch nicht zu Ende.“