: “Wer aussteigt, verliert die Familie“
Nachbarschaft In Bienenbüttel feiern Rechte Sonnenwendfeiern und mischen im Vereinsleben mit. Anwohnerin Angela Meyer sorgt sich
48, sorgt sich um die Ausbreitung der rechten Szene in ihrer Heimat Bienenbüttel und gehört darum zu denen, die über diese Entwicklung sprechen. Wegen der Gefahr von Anfeindungen soll ihr richtiger Name nicht veröffentlicht werden.
taz: Frau Meyer, wann haben Sie bemerkt, dass Sie in Bienenbüttel einige weit rechte Nachbarn haben?
Angela Meyer: Hier und da wurden immer schon über einzelne Familien in Hohnstorf und Bargdorf etwas gemunkelt, dass diese oder jene etwas eigen sein. Die Eltern laufen in bodenständiger, altdeutsch wirkender Kleidung herum, die vielen Kinder ebenso. Die Jungs tragen kurze Lederhosen und biedere Kurzhaarschnitte, die Mädchen lange Röcke und Zöpfe links und rechts. Das ist sehr klischeehaft. Kaum jemand hat nachgefragt, auch ich habe das erst getan, als eine einschlägige Familie ein größeres Fest zum ersten Mai veranstaltete. Schon vorher feierten sie Sonnenwendfeiern, Geburts- und auch Todestage alter Nazis.
In der Region haben sich die Familien nicht ins Gemeinde- oder Vereinsleben eingebracht?
Oh doch, sie sind in den kleinen Orten des Landkreises sehr wohl verankert. Sie leben und teilweise arbeiten sie hier auch. Sie bringen sich ein. Einer hat eine Funktion in einem Sportverein. Sie treten einem aber nicht mit ihrer überwiegend völkischen Gesinnung gleich offen entgegen. Ich glauben sie achten sehr genau darauf mit wem sie wann mal politische Gespräche suchen oder wo sie bei wem mal eindeutige Sprüche fallen lassen.
Sie leben ihre Gesinnung nicht bloß auf „ihrer Scholle“ aus?
Selbst wenn, fände ich auch das problematisch. Mit ihrer Lebensweise wirkes sie nicht nur in das Gemeinde- und Vereinsleben hinein. Sie beeinflussen ja auch ihre Kinder mit dieser Gesinnung und Lebensweise, prägen sie mit diesem Welt- und Menschenbild. Dieses Milieu wächst quasi im stillen Wirken mehr und mehr über „ihre Scholle“ hinaus. Wer da vielleicht aussteigen möchte, verliert die gesamte Familie.
Sie sprachen frühere Feste an. Waren Sie nicht besorgt?
Die Familien leben ja nicht ganz so abgeschieden. Nicht weit von meinem Zuhause entfernt konnte man schon im Ort die Lieder hören, die da gesungen wurden, oder auch die Fahnen sehen. Zum Mai-Fest reisten Rechte aus andere Bundesländern an, was mehr als ein Hinweis ist, das weite Netzwerke zur rechtsextremen Szene bestehen. Deshalb sind viele nun besorgt. Bei dem Fest waren NPD- und AfD-Anhänger.
Machen die bei Ihnen im Ort Krawall?
Politische Skandale oder Konfrontationen vermeiden sie, das scheint mir eine Strategie zu sein. In ruhiger Atmosphäre soll persönlicher Zuspruch gewonnen werden, um politische Akzeptanz zu finden. Über diese Strategie müsste viel mehr aufgeklärt werden. Bei der Kommunalwahl wirkte sich das auch mit aus: In den Wahlkreisen schnitt die AfD weit über dem Landwert ab.
Interview: Andreas Speit
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen