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Kommentar von Bernd Pickertzur Ablehnung des Friedensabkommens in KolumbienZurück am Abgrund

Das Abstimmungsergebnis in Kolumbien ist eine Katastrophe. Denkbar knapp wurde das Friedensabkommen zwischen Regierung und Farc-Guerilla abgelehnt. Präsident Juan Manuel hatte stets betont, Nachverhandlungen seien nicht möglich, einen Plan B gebe es nicht. Das Referendum hätte er nicht anberaumen müssen, aber er wollte seine Verhandlungsposition gegenüber der Farc stärken und gegenüber seinen Gegnern Zeit gewinnen. Jetzt steht er vor einem Trümmerhaufen.

Die von Ex-Präsident Álvaro Uribe angeführte rechte Opposition kann das Nein als fulminanten Sieg verbuchen. Ja, viele der Argumente, die sie gegen das Abkommen ins Feld führte, basierten auf falschen Behauptungen. Und Uribe selbst, der jetzt Nachverhandlungen fordert, war schon gegen den Friedensprozess, bevor er überhaupt begonnen hatte. Er wollte nie ­einen verhandelten Frieden.

Aber es nutzt nichts, sich über die Verlogenheit zu beklagen. Auch Präsident Santos wusste, dass das Land in der Frage in zwei nahezu gleiche große Hälften gespalten ist. Hätte es wirklich eine solide Grundlage zum Frieden sein können, wenn jetzt nicht 53.000 Stimmen den Unterschied gegen, sondern für das Abkommen ausgemacht hätten?

Wie Ex-Präsident Álvaro Uribe sich nun verhält, wird die entscheidende Frage sein. Gegen ein knappes Ja hätte er einfach weiter harte Opposition betrieben – und in Kolumbien hätte das auch einen Freibrief für neue Mordwellen der mit ihm alliierten rechten Paramilitärs bedeutet. Uribe wird versuchen, durch überzogene Forderungen jegliche weitere Verhandlung unmöglich zu machen, auf eine Rückkehr an die Macht bei den Wahlen 2018 hoffen, um dann die militärische „Lösung“ weiterzuverfolgen.

Es liegt an Präsident Santos, Uribe davon abzuhalten. Er muss ihn stattdessen konstruktiv in die Pflicht nehmen. Dazu wird Santos internationale Unterstützung brauchen. All jene Staaten, die noch vor einer Woche begeistert Glückwunschtelegramme und Vertreter zur Unterzeichnung des Abkommens nach Cartagena schickten, sind jetzt gefragt.

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