Streue lieber ungewöhnlich aus

LETZTE RUHE„Expedition in die zeitgenössische Sterbekultur“ im Krematorium Baumschulenweg

Eine Urne beleuchtet diverse Aspekte von Sterbe- und Bestattungskultur

Das ist schon eine schicke Adresse für den Schlusspunkt, das Krematorium Baumschulenweg. Klare Geometrien und eine Betonnüchternheit, mit einer Prise an spielerischem Pathos, die die Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank (die auch das Kanzleramt entwarfen) dem Bau mit einem Säulenwald in der Halle gönnten. Ein schöner Ort. Für den Tod.

Nun mag es zwar so sein, dass jeder für sich allein stirbt. Das Drumherum aber und die Frage nach der letzten Ruhe sind ganz allgemein reglementiert mit festen Normen, über die dann auch gesprochen wurde an dem Mittwochabend beim „DeathLab“ im Krematorium Baumschulenweg. Der Auftakt einer Gesprächsreihe als „Expedition in die zeitgenössische Sterbekultur“.

Bei der ersten Runde, Thema „Politik und Asche“, ging es gleich ganz grundsätzlich um die gesetzliche Friedhofspflicht – die sich so überhaupt nicht um individuellere Vorstellungen von Bestattungen kümmern möchte in einer Welt, die sich doch ziemlich gewandelt hat seit den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als in Deutschland festgeschrieben wurde, dass man, ob im Sarg oder als Asche in der Urne, letztlich auf den Friedhof muss.

Gelockerte Pflicht

In Bremen ist diese Pflicht gelockert worden. Seit 2015 darf dort die Asche auch im heimischen Garten verstreut werden. 50 Mal wurde das vergangenes Jahr genutzt, wie Maike Schaefer, Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft, bei der Krematoriumsrunde sagte. In Berlin dagegen, so Beate Profé von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, sei diese Debatte in der Politik noch nicht einmal angekommen. Und dass Berlin doch schöne Friedhöfe habe, meinte sie. Schöne Orte, wo die Menschen durchaus gerne sind. Auch der Bestatter Uller Gscheider, prinzipiell für eine Lockerung nicht mehr zeitgemäßer Bestattungsregeln, sprach sich letztlich für den Friedhof – weil ein öffentlicher, kollektiver Ort – aus.

Außerdem ging es noch um Liegezeiten und die Notwendigkeit von Leichenwagen bei dieser recht unterhaltsamen Annäherung an die letzten Dinge. Zwischendurch gab es von Johannes Lienhart an der Orgel mit Stücken früh verstorbener Musiker wie Bob Marley und Kurt Cobain Vorschläge einer Begräbnismusik zu hören, wie überhaupt das von Lydia Hamann, Mirko Winkel und Karen Winzer konzipierte DeathLab von der Kunst her gedacht ist.

Ausgangspunkt der Gespräche ist nämlich jeweils eine von Künstlern entwickelte Urne, um damit diverse Aspekte von Sterbe- und Bestattungskultur zu beleuchten. Und mit seiner Urnen-Idee bei „Politik und Asche“ brachte der Hamburger Bildhauer Axel Loytved die Runde ziemlich ins Grübeln.

Weil bei seinem Vorschlag kaum mehr von einer Urne gesprochen werden kann. Stattdessen ist die Asche selbst zu einer Art Grabplatte gearbeitet. Ob das so, da nicht wirklich auszustreuen, nun etwa im bestattungsliberalen Bremen möglich wäre, da war sich selbst Maike Schaefer nicht sicher.

Aber schließlich will man mit dem DeathLab ja der Frage nachgehen, wie angesichts von Tod, Einäscherung und Trauer neue Ausdrucks- und Umgangsformen entwickelt werden können. In einem Streifzug durch mit dem Thema Tod oder Sterben verbundene Orte. Beim nächsten Termin am 7. Oktober geht es ins Friedhofscafé Strauss in der Bergmannstraße. Um Bestattungsformen anderer, speziell südostasiatischer Kulturen dreht sich dann das Gespräch. Als Vorschlag für alternative Bestattungsmusik gibt es hier einen queer-feministischen Post-Doom zu hören. Thomas Mauch

Termine: www.deathlab.de