Freihandel Verfassungsgericht will kurz vor Entscheid der Bundesregierung urteilen
: Karlsruhe handelt in Eile wegen Ceta

Freiburg taz | Das Bundesverfassungsgericht will kurzfristig über das weitere Vorgehen beim Ceta-Freihandelsabkommen der EU mit Kanada entscheiden. Für den 12. Oktober haben die Richter überraschend eine mündliche Verhandlung anberaumt. Und schon am nächsten Tag, am 13. Oktober, wollen sie ihre Entscheidung verkünden.

Konkret soll es dabei um mehrere Eilanträge gehen. Verschiedene Gruppen von Ceta-Gegnern wollen verhindern, dass die Bundesregierung am 17. Oktober im EU-Ministerrat Ceta zustimmt und eine vorläufige Anwendung des gesamten Abkommens mitbeschließt.

Derzeit liegen in Karlsruhe mehrere Verfassungsbeschwerden vor, die mit solchen Eilanträgen verbunden wurden. Ein Bündnis aus Mehr Demokratie, Campact und Foodwatch, das von rund 125.000 Bürgern unterstützt wird, trägt die bisher größte Verfassungsbeschwerde der deutschen Geschichte. Die Flötenlehrerin Marianne Grimmenstein wird von 68.000 Mitstreitern unterstützt. Hinzu kommen Klagen von Bundestagsabgeordneten der Linken und vom ÖDP-Bundesvorsitzenden Klaus Buchner.

Die Eilanträge dürften keine Aussicht auf Erfolg haben, wenn Ceta als gemischtes Abkommen behandelt wird und strittige Punkte wie der Investorenschutz nicht vorläufig angewandt werden. Denn dann haben Bundestag und Bundesrat noch das letzte Wort, und die Beschlussfassung der Regierungen am 17. Oktober würde keine vollendeten Tatsachen schaffen. Das Bundesverfassungsgericht könnte die Klagen gegen Ceta also auch noch später in Ruhe prüfen.

Am Freitag verhandelte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf einem informellen Treffen der EU-Handelsminister über die vorläufige Anwendbarkeit von Ceta. Es ist vielleicht kein Zufall, dass Karlsruhe die mündliche Verhandlung just an dem Morgen ankündigte, an dem Gabriel nach Bratislava reiste. Jedenfalls hilft es der Bundesregierung in ihren Verhandlungen, wenn sie auf eine drohende Intervention des Bundesverfassungsgerichts verweisen kann.

Außerdem haben mündliche Verhandlungen in EU-Angelegenheiten auch stets die Funktion, den Fundamentalkritikern der EU-Politik ein Forum zu bieten, in dem sie ernst genommen und auf Augenhöhe mit der Regierung angehört werden. Wenn Karlsruhe am Ende dann die deutsche Unterschrift unter Ceta erlaubt, schafft dies wiederum auch Akzeptanz für das Handeln der Bundesregierung. Christian Rath