„Die Nase voll von Reden“

USA Nach zwei Nächten gewaltsamer Proteste gegen Polizeischüsse in Charlotte, North Carolina, verhängt der Gouverneur den Ausnahmezustand. Die Aktivisten sind wütend

Tränengas, Schüsse, Plünderungen: Charlotte in der Nacht zu Donnerstag Foto: Caitlin Penna/ dpa

Von Bernd Pickert

BERLIN taz | Zum zweiten Mal in Folge ist es in der Nacht zu Donnerstag in Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina zu Ausschreitungen und Straßenschlachten zwischen Protestierenden und der Polizei gekommen. Der republikanische Gouverneur des Bundesstaates, Patrick McCrory, hat inzwischen den Ausnahmezustand über die Stadt verhängt und die Nationalgarde zu Hilfe gerufen. Ein Demonstrant hatte am Mittwochabend eine Schussverletzung erlitten. Zunächst war gemeldet worden, er sei gestorben, später twitterte die Stadtverwaltung, er sei lebensgefährlich verletzt auf der Intensivstation. Wer auf ihn geschossen hat, war zunächst nicht bekannt.

Die zunächst friedlichen Proteste waren eine Reaktion auf die Schüsse auf den 43-jährigen Schwarzen Keith Lammont Scott, der am Dienstag von Polizisten getötet worden war. Über den Hergang gibt es unterschiedliche Versionen: Scotts Schwester gibt an, er habe in seinem Auto an einer Schulbushaltestelle auf seinen Sohn gewartet, dabei ein Buch gelesen und sei unbewaffnet gewesen. Wie es zu der Konfrontation mit der Polizei kam, geht aus der Erklärung der Familie nicht hervor.

Polizeichef Kerr Putney hat eine andere Version: Beamte seien mit einem Haftbefehl auf der Suche nach jemand anderem gewesen, als ihnen Scott aufgefallen sei, der mit einer Waffe in sein Auto gestiegen sei. Auf die Rufe der Beamten, die Waffe fallenzulassen, habe er nicht reagiert, sei vielmehr mit der Waffe in der Hand aus dem Wagen ausgestiegen. Die Polizisten hätten sich bedroht gefühlt, und der – ebenfalls schwarze – Polizist Brentley Vinson habe auf ihn geschossen. Im Übrigen habe die Polizei bei der Durchsuchung Scotts und des Wagens zwar eine Schusswaffe, aber kein Buch gefunden.

Von dem Vorfall existieren laut Polizeichef Putney Videoaufnahmen von den Body-Kameras zweier eingesetzter Beamter. Die aber will die Polizei nicht veröffentlichen, solange die Ermittlungen laufen, sagt Polizeichef Putney. Ein neues Gesetz, das in North Carolina am 1. Oktober in Kraft tritt, soll die Veröffentlichung solcher Videomitschnitte ohne richterliche Anordnung sogar gänzlich ausschließen. Charlottes demokratische Bürgermeisterin Jennifer Roberts hat unterdessen den Polizeichef aufgefordert, ihr und einigen kommunalen Führungspersönlichkeiten, darunter dem Vorsitzenden der Bürgerrechtsorganisation NAACP, die Videos zu zeigen.

Der Schütze, der 2013 Jonathan Ferrell tötete, ist nicht verurteilt. Das wirkt nach

Viele „Black Lives Matter“-Aktivisten in Charlotte stehen noch immer unter dem Eindruck des Todes von Jonathan Ferrell. Der unbewaffnete 24-jährige Schwarze war 2013 von einem Polizisten mit 12 Schüssen niedergestreckt worden, zu einer Verurteilung des Täters kam es nicht. Die Proteste heute seien ein Ausdruck der Frustration darüber, sagte Aktivist Jibril Hough der Washington Post: Die Leute „haben die Nase voll von Reden und Lichterketten und Dialog und dass nichts passiert“.

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