: Sarkozy hat die Gallier und Vercingetorix als Vorfahren
FrankreichDer Sprücheklopfer der Nation macht mit rassistischer Anbiederung breiten Wirbel
Dieser Satz „nos ancêtres les Gaulois“ klingt in Frankreich bekannt. Er stand lange in der Kolonialepoche in den auch in Afrika, Indochina oder in der Karibik verwendeten französischen Schulbüchern. Jeder, der sich beim Blick in den Spiegel nicht mit Vercingetorix zu identifizieren vermochte und keine keltischen Vorfahren in seinem Stammbaum ausfindig machte, konnte sich damals nicht wie ein vollwertiger Franzose fühlen. Die zu Urahnen des heutigen Frankreichs verklärten Gallier hatten im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Nationalmythos gedient.
„Wer von anderswo herkommt, muss seine Vorfahren austauschen“, spottet die Tageszeitung Le Monde über dieses genealogisch unhaltbare Verständnis der Staatszugehörigkeit. Sein innerparteilicher Rivale, der frühere Premierminister Alain Juppé, sprach von einer „Hysterie im Umgang mit Muslimen“, ohne Sarkozy namentlich zu nennen.
In Frankreich wird seit Monaten über die Frage der nationalen Identität diskutiert. Im Mittelpunkt steht dabei die Rolle des Islams. Hintergrund sind unter anderem die jüngsten Anschläge, zu denen sich Islamisten bekannt haben. Denn in Wirklichkeit ist Frankreich eine ethnisch sehr gemischte Gesellschaft, und die keltischen Gallier sind nur ein Bestandteil einer langen Geschichte der Herausbildung der französischen Nation.
„Wer Franzose werden will, (…) lebt wie ein Franzose …“ Was das genau bedeutet, überlässt Sarkozy seinen Zuhörern. Viele von ihnen verstehen den Satz anders: Nur wer Gallier zu seinen Ahnen zähle, sei ein echter Franzose. Wie geplant, hat Sarkozy mit diesen Zweideutigkeiten einen Medienwirbel verursacht, der ihm im rechten Lager nur nützen kann.
Rudolf Balmer
Meinung + Diskussion
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