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Kontroverse als Stärke

Beteiligung Am Samstag lud die taz Genossenschaft zur Generalversammlung. Der taz geht es gut, Streit gab es trotzdem

von Ulrike Herrmann

Ist es richtig, dass die taz Anzeigen der Bundeswehr abdruckt? Diese Frage wurde von den 354 Genossen kontrovers diskutiert, die am Samstag zur alljährlichen Generalversammlung in der Berliner Zentrale der Heinrich-Böll-Stiftung zusammengekommen waren. Hartmut Louis aus Wuppertal hatte beantragt, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen: Es sei doch gerade das Ziel der Genossenschaft, „auf solche Geldgeber verzichten zu können“.

Für den Unmut hatte taz-Geschäftsführer Andreas Bull vollstes Verständnis: „Ich finde diese Anzeigen auch eine Zumutung, aber ich habe gelernt, dass ich diese Zumutungen aushalten muss.“ Denn die taz erzielt durch Werbeeinnahmen etwa zwei Millionen Euro im Jahr. Allerdings kann sie sich die Anzeigen nicht individuell aussuchen und „die Rosinen herauspicken“.

Viele Genossen sind ehemalige Kriegsdienstverweigerer. Dazu gehört auch Joerg Goy aus Handewitt, der aber gleichzeitig feststellte: „Ich bin auch Kaufmann.“

„Fette Beute“ mitnehmen?

Daher plädierte Goy dafür, die Anzeigen zu drucken: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bundeswehr unter den taz-Lesern Rekruten gewinnt. Ich würde dies als eine Subvention der Bundesregierung sehen.“

Diese abgeklärte Haltung, die Bundeswehranzeigen als „fette Beute“ zu betrachten, erhielt am Ende eine deutliche Mehrheit. Ein „Stimmungsbild“ ergab, dass 194 Genossen dagegen waren, auf die Bundeswehranzeigen zu verzichten. 53 wünschten sich ein Ende der Werbung, 12 enthielten sich.

„Ich finde dieseAnzeigen aucheine Zumutung“

Andreas Bull taz-Geschäftsführer

Eine kreative Alternative schlug Hartmut Spiegel aus Paderborn vor: Genossen könnten doch selbst Werbeflächen in der taz kaufen und ihre Namen unter den Satz setzen: „Diese Genossen haben dafür gesorgt, dass hier keine Anzeige der Bundeswehr steht.“ Sollte es zu einer derartigen Initiative kommen, würde die taz dieses Inserat sofort drucken, versicherte Andreas Bull: „Das wäre eine großartige Anzeige.“

Debattiert wurde auch, was aus dem alten taz-Haus an der Rudi-Dutschke-Straße werden soll. Geschäftsführer Kalle Ruch erklärte, dass man eine „Vermietungslösung“ anstrebe, um regelmäßige und risikofreie Einnahmen zu erzielen.

Die ehemalige taz-Aufsichtsrätin Adrienne Goehler schlug hingegen vor, ein „taz-Hotel“ zu gründen, das auch Flüchtlingen und bedrängten Journalisten Unterkunft bietet. taz-Redakteur Jan Feddersen wiederum plädierte für ein queeres Bildungs- und Archivzentrum, das „Elberskirchen-Hirschfeld-Haus“ heißen könnte. Den Gesamtetat will man beim Land Berlin beantragen; er soll eine „Opulenz von ungefähr 40 Millionen Euro“ aufweisen.

Kalle Ruch blieb dabei, dass das alte taz-Gebäude vermietet werden soll: „Wir wollen nicht Betreiber des Hauses werden. Die Projekte müssen in der Lage sein, frisches Geld zu besorgen.“ Es gäbe auch schon Interessenten.

Nach dieser Aussprache folgte der formale Teil: Die dreijährige Amtszeit der beiden Aufsichtsräte Johannes Rauschenberger und Hermann-Josef Tenhagen war abgelaufen. Beide stellten sich zur Wiederwahl – und erhielten 99 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Rauschenberger, 66, ist inzwischen seit 21 Jahren taz-Aufsichtsrat. Der Stuttgarter ist selbstständiger Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und „würde gern diese Expertise weiterhin für die taz einbringen“. Es ist nicht sein einziges Ehrenamt: Rauschenberger engagiert sich auch gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21, sitzt im Vorstand der Stiftung Stuttgarter Friedenspreis und ist Finanzvorstand der Wochenzeitung Kontext.

Tenhagen, 53, ist seit 2004 im taz-Aufsichtsrat. 15 Jahre lang war er Chefredakteur von Finanztest; jetzt leitet er das gemeinnützige Verbraucherportal Finanztip. Die taz will er weiterhin aus der Verlustzone heraushalten: „Ich bin ein Freund der schwarzen Null.“

Derzeit geht es der taz gut. Geschäftsführer Ruch konnte „stabile Umsätze und ausgeglichene Ergebnisse“ melden. Auch die Abonnenten sind zufrieden, wie die neueste Umfrage von Bernd Blöbaum ergab. Der Medienwissenschaftler aus Münster hatte in diesem Sommer die AbonnentInnen der Wochenend-taz sowie die UnterstützerInnen von taz.zahl ich angeschrieben. Eines seiner Ergebnisse: Die Wochenend-LeserInnen wünschen sich vor allem Hintergrundinformationen. An Popkultur ist nur etwa die Hälfte interessiert. „Das Team der taz.am Wochenende macht es also genau richtig“, so Blöbaum. Kritik äußerten die Befragten kaum. Nur ein Problem tauchte immer wieder auf: In einigen Gegenden erhalten manche ihre Wochenend-taz erst am Montag. „Das ist Käse“, rügte Blöbaum.

Seine Befragung ergab zudem, dass 48 Prozent der taz-Abonnenten überzeugte Hedonisten sind und 63 Prozent ebenso überzeugte Nonkonformisten. Bei Wahlen entscheiden sich 49,1 Prozent für die Grünen, 36,5 Prozent stimmen für die Linken – und nur 6,7 Prozent für die SPD.

GmbH oder doch lieber Genossenschaft?

Die taz Genossenschaft wird in diesem Herbst 25 Jahre alt. Vielleicht hätte es sie nie gegeben, wenn nicht der damalige taz-Rechtsanwalt und heutige grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele 1991 so energisch für dieses Modell geworben hätte. Auf der Generalversammlung erinnerte er an jene ferne Vergangenheit, als es fast jährlich Rettungskampagnen gab. „Vor allem die Sommer waren das Problem.“ Wenn die Leser in den Urlaub entschwanden, dann stellte sich „spätestens im August die Frage, ob die Einnahmen noch reichen“.

Teile der Redaktion wollte damals eine GmbH gründen, um zahlungskräftige Unterstützer anzulocken. Doch Ströbele warnte: „Ein Kapitalgeber wird es nicht auf Dauer hinnehmen, dass es keine Profite gibt.“ Am Ende stimmten 132 taz-MitarbeiterInnen für die Gründung der Genossenschaft, 58 dagegen, 6 enthielten sich. „Das führte zu heftigsten Reaktionen“, so Ströbele. „Manche reden bis heute nicht mit mir.“

Niemals hätte Ströbele erwartet, dass die taz Genossenschaft demnächst 17.000 Mitglieder zählen würde.„Wir können uns also jeder gegenseitig danken.“ Da erhob sich der Saal. Die Versammlung endete mit Standing Ovations für Ströbele, der sich selbst einen „einfachen Genossen“ nennt.

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