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Der Wahlkampf eines widersprüchlichen Mannes

CDU Innenminister Caffier will der AfD das Wasser abgraben. Der konservative Landesparteichef wird respektiert, ist aber nicht sehr beliebt

AUS SCHWERIN Hannes Stepputat

Lorenz Caffier (CDU) freut sich: Seine Parteikollegin Angela Merkel, eingeflogen zur Wahlkampfhilfe an den Schweriner See, lobt das Management des mecklenburg-vorpommerschen Innenministers in der Flüchtlingskrise. Dieses habe „bundesweit Maßstäbe“ gesetzt, sagt die Bundeskanzlerin an diesem Montag. Der 61-Jährige mache eine „ausgezeichnete Arbeit“ als Innenminister.

Caffier selbst nutzt die Wahlkampfveranstaltung für Schmeicheleien an die anwesenden Wirtschaftsvertreter und für etwas Selbstkritik: „Wir brauchen weniger Bürokratie, wir brauchen mehr unternehmerische Freiheit, wir brauchen vor allen Dingen auch Anerkennung für ihren Erfolg“, sagt er und fügt hinzu: „Ich glaube, ein Unternehmer sollte sich nicht dafür entschuldigen, dass er die Idee hat, auch Geld verdienen zu wollen“. In der Vergangenheit habe die CDU dies nicht so vertreten, wie sich „der eine oder andere“ das vorgestellt hätten.

Insgesamt aber geht es in diesem Wahlkampf wenig um Landesthemen und viel um Asylpolitik und innere Sicherheit. Hier versucht Caffier sich zu profilieren – mit konsequenten Abschiebungen, auch mitten in der Nacht, Forderungen nach mehr Polizei oder jüngst nach einem „Burkaverbot“.

Sein Problem: In den Umfragen punktet er damit nicht. Vor einigen Wochen lag die CDU noch vor dem Koalitionspartner SPD, war stärkste Kraft. Dieses Verhältnis hat sich mittlerweile umgekehrt, die CDU könnte gar von der AfD überflügelt werden, der Caffier doch eigentlich das Wasser abgraben will. Zudem kämpft der gebürtige Sachse einen ungleichen Kampf gegen den beliebten und charismatischen Ministerpräsidenten Erwin Sellering (SPD). Zwischen den Beliebtheitswerten der beiden liegen Welten.

Und doch: Der Ausflug Caffiers in Law-and-Order-Gefilde ist mehr als reines Wahlkampfgetöse. KollegInnen aus dem Landtag beschreiben ihn als in Sicherheitsfragen „sehr konservativ“ und sagen unisono: Abschiebungen sind für ihn nicht nur politische Notwendigkeit, er stehe auch persönlich voll dahinter. Er sei eine „sehr zwiegespaltene Persönlichkeit“, sagt der Grüne Johannes Saalfeld über Caffier, der „Kuscheltierchen an Flüchtlingskinder verteilt und sie gleichzeitig abschiebt“. So jedenfalls habe es sich im Mai bei einer mehr­tägigen Abschiebeaktion zugetragen.

„Widersprüchlich“ ist ein Adjektiv, das immer wieder fällt, wenn man mit Freund und Feind über Caffier spricht, der seit 2006 Innenminister und seit 2009 CDU-Landesvorsitzender ist. Übereinstimmend heißt es auch: Caffier sei authentisch und verlässlich. Was er anpacke, ziehe er durch. Bei Caffier, sagt die Linken-Abgeordnete Barbara Borchardt, „ist nix gekünstelt, anders als bei Sellering“.

Caffier selbst antwortet auf die Frage nach den Unterschieden zwischen ihm und Sellering stets: Sellering sei Jurist, er selbst habe einen „praktischen Beruf“ erlernt – was ihn als bürgernäher beschreiben soll.

Caffier versucht sich in der Asylpolitik und inneren Sicherheit zu profilieren

Dass der Minister kein Wackelkandidat ist, dafür finden sich in seiner mittlerweile 26-jährigen Landtags-Laufbahn einige Beispiele: Da wären auf der einen Seite die Kreisgebietsreform und das NPD-Verbotsverfahren. Beide hat er gegen teils erhebliche Widerstände in der eigenen Partei durchgesetzt, was ihm einige Parteikollegen bis heute nicht verzeihen. Auf der anderen Seite hat der Verfassungsschutz die linke Band Feine Sahne Fischfilet jahrelang beobachtet. „Mit welcher Akribie er sich in Feine Sahne Fischfilet verbissen hat – als wäre es der Teufel in Person“, sagt ein Abgeordneter der SPD, der jedoch ungenannt bleiben möchte. Zeitweise wurde ihr im Verfassungsschutzbericht mehr Platz gewidmet als den Taten der NSU-Terroristen, die im Jahr 2004 in Rostock Mehmet Turgut erschossen.

Überhaupt sei Caffier in Sachen NSU „extrem dünnhäutig“, sagt ein anderer Abgeordneter der SPD, Julian Barlen. Im Nordosten sollen der Mord in Rostock und zwei Banküberfälle in Stralsund auf das Konto der Neonazis gehen. Trotzdem gibt es in Mecklenburg-Vorpommern keinen Untersuchungsausschuss, wie sie in anderen Bundesländern längst eingerichtet worden sind. „Caffier treibt das nicht voran“, heißt es vorsichtig beim Koalitionspartner. Es herrsche die Mentalität von „Hoffentlich geht das über mich weg“ vor.

Saalfeld, einer der stärksten Kritiker Caffiers, wird deutlicher. „Für Transparenz ist er gar nicht zu haben“, sein Umgang mit der NSU-Aufklärung sei „absolut mauernd“. Der Umgang mit der Opposition insgesamt sei gekennzeichnet von „zu wenig Informationen“: „Das ist ein Stil, der ist schon sehr unparlamentarisch“, sagt Saalfeld.

Im Strandpavillion am Schweriner See spielt das am Montagabend alles keine Rolle. Es wird viel geklatscht, die Atmosphäre drinnen ist freundlich und gediegen. Draußen gibt es vereinzelte „Volksverräter“-Rufe. Nach einer knappen Stunde endet die Veranstaltung bereits wieder – die Kanzlerin muss weiter. Lorenz Caffier, der widersprüchliche Kandidat, bekräftigt seine beiden Wahlziele, an denen er „selbstverständlich bis zum Ende festhalte“: Die CDU soll stärkste Fraktion werden und eine Regierungskoalition aus zwei Parteien gebildet werden. Doch wirklich überzeugt klingt er nicht mehr.

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