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Standortfaktor Bildung

OECD-Bericht Der aktuelle Bildungsbericht zeigt: Mehr als jeder zehnte junge Mensch bleibt ohne Abitur oder Ausbildung. Zuwandererkinder haben schlechtere Bedingungen

VON Anna Lehmann

BERLIN | „Vor allem bei der Bildungsgerechtigkeit ist noch Luft nach oben“, sagt Johanna Wanka bei der Vorstellung des jährlichen Bildungsberichts der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Ungewohnt selbstkritische Töne für die CDU-Bildungsministerin. Der Bericht, in dem die OECD einmal jährlich die Bildungsindikatoren ihrer Mitglieder vergleicht, offenbart erneut die Achillesferse des ­deutschen Bildungssystems: Es gelingt schlechter als in vielen anderen Ländern, allen Menschen gleiche Zugangs- und Aufstiegschancen zu gewähren.

Gerade Kinder, deren Eltern im Ausland geboren sind und weder Berufsausbildung noch Abitur haben, verharren oft auf niedrigem Bildungslevel. Fast die Hälfte der 25- bis 44-Jährigen gilt als gering qualifiziert, nur sieben Prozent erreichen einen Abschluss auf Hochschulniveau. Zum Vergleich: Wenn beide Eltern niedrig ­qualifiziert, aber in Deutschland geboren sind, verbleiben nur 15 Prozent dieser Altersgruppe auf dem gleichen Stand, jeder fünfte hat einen Abschluss auf Hochschulniveau.

Trotz des von der OECD pflichtschuldig gelobten Berufsausbildungssystem ist der Anteil der Niedrigqualifizierten in Deutschland über die Jahrzehnte konstant geblieben. Dreizehn Prozent der 25- bis 34-Jährigen haben weder Berufsausbildung noch Abitur, ebenso die 55- bis 64-Jährigen. In Ländern wie Österreich oder der Schweiz hat sich der Anteil der Niedrigqualifizierten über die Generationen halbiert. Was läuft da anders? „Dort sind unter anderem die Investitionen in die ersten Bildungsjahre sehr hoch“, so die Antwort von OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher.

In Deutschland läuft es andersherum: Die öffentlichen Investitionen liegen im Kita- und Grundschulbereich unter OECD-Schnitt. In den oberen Schuljahren, in Berufsausbildung und Studium investiert Deutschland dann mehr als andere Industrieländer. Allerdings sind die Bildungsetats von Bund und Ländern in den letzten Jahren nicht in gleichem Maße gewachsen wie die Wirtschaft. Der Anteil des Bruttoinlandsprodukts, den Deutschland in Bildung investiert, liegt mit 4,2 Prozent deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 5,2 Prozent.

Konkurrenzfähig sind die Lehrer-Gehälter: Platz drei in Europa

Konkurrenzfähig sind aber die Gehälter der Lehrerinnen und Lehrer. „Deutschland investiert viel in eine wettbewerbsfähige Bezahlung der Lehrer, vor allem im Sekundarbereich“, lobt Schleicher. Unter 38 Nationen liegt Deutschland beim Einstiegsgehalt für Pädagogen auf Platz 3, nur in der Schweiz und in Luxemburg wird besser bezahlt. Allerdings steigen die Gehälter deutscher Lehrerinnen während ihrer Laufbahn viel weniger stark als in anderen Staaten. Der Zufriedenheit tut das keinen Abbruch. Wer einmal am Lehrertisch Platz genommen hat, bleibt in der Regel bis zur Rente oder Pension. Fast die Hälfte der aktiven Lehrerinnen und Lehrer an Grund- und Oberschulen ist über 50 Jahre alt.

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