Bremsklotz Bis zu 4.000 Euro „Umwelt-Prämie“ bekommen Käufer von E-Autos in Deutschland – doch fast niemand nutzt das aus. Denn es gibt drei große Probleme, die sich gegenseitig verstärken
: Die Zukunft, die noch keiner will

Die Fahrzeuge sind da, nun fehlen noch die Konsumenten: fabrikneue E-Autos im chinesischen Xingtai Foto: Hao Yaxin/dpa/picture alliance

von Hannes Koch

Das Öl der Erde ist endlich und damit auch das Benzin. Wenn der motorisierte Individualverkehr eine Zukunft haben soll, dann müssen E-Autos ihn retten. Die Grünen diskutieren bereits die Forderung, ab 2025 keine Benzin-Pkw mehr zuzulassen.

Die Realität: Die Menschen machen nicht mit. Nur knapp 30.000 E-Autos fahren auf deutschen Straßen. Denn gegenwärtig sind fossil betriebene Fahrzeuge den Strom-Pkw in dreifacher Hinsicht überlegen. Sie haben eine größere Reichweite, es gibt viel mehr Tankstellen, und sie sind wesentlich billiger.

Die Tankfüllung eines fossil betriebenen Autos reicht heute locker für 500 Kilometer. Die Strecke Berlin-Usedom und zurück schafft man, ohne zwischendurch zu tanken und in weniger als dreieinhalb Stunden. Elektrowagen dagegen rollen mit einer Batterieladung meist nur zwischen 100 und 200 Kilometern, dann müssen an die Steckdose. Das dauert und macht lange Reisen unattraktiv. Einzig Sportwagen von Tesla schaffen – nach Herstellerangaben – bis zu 500 Kilometer mit einer Ladung. Dafür sind sie auch mit mehreren hundert Kilo Batterien bestückt und noch teurer, als es E-Autos ohnehin schon sind.

Die naheliegende Lösung wären kleinere, leistungsstärkere Batterien. Doch die Physik setzt Grenzen, darauf verweist auch Cornel Stan, Professor für Fahrzeugtechnik an der Hochschule Zwickau: Soweit heute absehbar, bleibe die Speicherkraft der Batterien noch lange Zeit zu gering. Für Stan eignen sich reine Elektroautos auch in Zukunft in erster Linie für kurze Distanzen in Ballungsräumen.

Andreas Knie, Geschäftsführer des Berliner Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel, beurteilt das ähnlich: „Für große Entfernungen wird man in Zukunft eher Hybrid-Fahrzeuge mit kombinierten Strom-Benzin-Antrieben nutzen. Infrage kommt auch Wasserstoff als Energielieferant für Brennstoffzellen.“

Berufsbedingt optimistischer ist Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbandes E-Mobilität (BEM). Er hält es für möglich, dass die Speicherkapazität der Batterien in den kommenden sechs Jahren um ein Drittel steigt und der Preis gleichzeitig sinkt. Die nächste Generation der E-Pkw sei laut BEM „für Tagesfahrleistungen von 500 Kilometern bereits gut geeignet“.

Aber nur unter einigen Voraussetzungen, sagen selbst die Stromfreunde. Eine davon: Deutschland braucht deutlich mehr Elektro-Tankstellen. Heute ist die Lage so: Diesel-Pkw erhalten ihren Treibstoff in Deutschland an gut 14.000 Stationen. Das Tanken dauert nur einige Minuten, schnell können Hunderttausende Pkw versorgt werden. Der Verkehr rollt.

Das Versprechen: Wo keine Abgase rauskommen, wird auch das Klima nicht belastet – klingt erst mal logisch. Auch manche Hersteller elektrischer Fahrzeuge werben mit den ökologischen Vorzügen.

Die Wirklichkeit: Ein E-Auto ist immer nur so sauber wie der Strom, den es tankt. Legt man also den deutschen Energiemix zugrunde, stammt der Strom nur zu einem Drittel aus Wind- und Sonnenkraftwerken. Der Rest kommt aus Atom- oder Kohlekraftwerken.

Die Hoffnung: Nur, wer sein Elektrofahrzeug komplett mit Ökostrom versorgt, fährt wirklich sauber. Das ist beim ohnehin dünnen E-Tankstellennetz momentan nicht immer zu leisten. Immerhin arbeitet die Zeit für uns: Weil der Anteil sauberer Energie am Strommix zunimmt, verbessert sich auch die Gesamtbilanz.

Anders bei der Elektrovariante. Derzeit gibt es bundesweit nur rund 6.000 Ladestationen. E-Auto-Fahrer müssen die Energiespender suchen und hoffen, dass sie frei sind. Das allerdings ließe sich mit vertretbarem Aufwand ändern. Die Bundesregierung plant, 300 Millionen Euro bereitzustellen, damit private Betreiber, beispielsweise von konventionellen Tankstellen und Raststätten, bis 2020 rund 15.000 zusätzliche Ladesäulen errichten. Die Details werden gerade ausgearbeitet. Etwa ein Drittel der Anlagen soll dann schnelles E-Tanken ermöglichen, damit man nach einer halben Stunde weiterfahren kann.

Wenn das Programm funktioniert, ist das „eine sehr gute Basis“ für die weitere Entwicklung, sagt auch Ingenieur Stan. Die Logik dahinter: Erst mit einem flächendeckenden Ladenetz werden mehr Normalnutzer ein Stromauto erwerben. Je mehr davon unterwegs sind, desto höher ist der Anreiz, E-Tankwart zu werden – und so wird wieder das Netz dichter.

Mit steigenden Stückzahlen würden dann auch die hohen Anschaffungskosten der E-Autos sinken, weil für die Hersteller das Risiko und die Grundkosten sinken. Bisher sind die Preisunterschiede zu Benzinautos enorm: So bietet Ford sein Modell Focus in der konventionellen Variante ab 16.450 Euro an. Die elektrische Ausführung kostet 34.900 Euro. Eine vergleichbare Differenz klafft beim VW Golf. Immerhin beweisen Nissan mit dem Leaf (24.000 Euro) und Renault mit dem Zoe (21.500), dass es preiswerter geht.

Um diese Kostenschere ein wenig zu schließen, haben die Bundesregierung und die großen Autohersteller eine Kaufprämie von bis zu 4.000 Euro pro Fahrzeug ausgelobt. 1,2 Milliarden Euro liegen dafür bereit. Durch die Anschubfinanzierung soll die Zahl der verkauften Fahrzeuge auf 300.000 bis 500.000 steigen. In den ersten zwei Monaten des Programms allerdings war der Zuspruch sehr gering: Nur rund 3.000 Autokäufer schlugen zu.

Der Zuschuss sei viel zu gering, sagt Verkehrswissenschaftler Andreas Knie: „Die Größenordnung müsste bei 10.000 bis 15.000 Euro liegen.“ In der Tat entschied die französische Regierung, 10.000 Euro zu neuen Stromwagen dazu zu geben, wenn die Käufer ihre alten Diesel abschaffen. Auch in Großbritannien betrug die Kaufprämie zeitweise bis zu 11.000 Euro, jetzt sind es immer noch 6.000 Euro.

Cornel Stan regt außerdem an, den Zuschnitt des deutschen Programms zu ändern. Anstatt Normalbürger vom Kauf eines E-Autos zu überzeugen, solle die Regierung lieber hohe Prämien von 15.000 Euro beispielsweise an Taxifirmen zahlen, damit diese ihre städtischen Flotten auf E-Fahrzeuge umrüsten. So lasse sich die Zahl der Strom-Pkw schneller steigern. Auch Andreas Knie denkt in diese Richtung. Er plädiert für „ein Anreizprogramm, das sich mit Sonderabschreibungen an gewerbliche Kunden richtet“.

Als Benzinauto gibt es den Ford Focus ab 16.450 Euro. Die elektrische ­Ausführung kostet 34.900 Euro

Die Logik: Für die Firmen zahlen sich die Wagen schnell aus, werden nach etwa drei Jahren weiterverkauft und sind dann als preisgünstige Gebrauchtwagen auf dem Markt. Das könnte die E-Autos für Privatleute attraktiv machen.

Lobbyist Kurt Sigl fordert außerdem neue Vorschriften: Bei Neubauten sollten Elektroanschlüsse in Tiefgaragen und Hauseingängen verpflichtend werden, damit die E-Mobile künftig über Nacht auftanken könnten.

Die Erfahrung, dass starke Anreize notwendig sind, hat auch Norwegen gemacht. Dieses Vorreiterland der Elektromobilität konnte den Anteil der Stromautos stark erhöhen, indem es den Autofahrern ein ganzes Paket an Vergünstigungen angeboten hat. Dort dürfen E-Autos die Busspuren benutzen, müssen in Städten keine Parkgebühren zahlen, bekommen den Strom kostenlos und sind von Steuern sowie Zulassungsgebühren befreit.

In Norwegen liegt der Anteil von elektrobetriebenen Autos bei den Neuzulassungen aktuell übrigens bei knapp 30 Prozent, Tendenz steigend. Manchmal muss man die Zukunft ein wenig anschieben, damit sie ins Rollen kommt.