heute in hamburg: „Zum Militär gezwungen“
Flucht Warum Eritreer zu uns kommen und was sich für sie ändern muss, erklärt Mussie Habte
43, sitzt für die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg. Er studierte Politikwissenschaft und Soziologie.
taz: Herr Habte, warum wollen Sie auf die Flüchtlinge aus Eritrea aufmerksam machen?
Mussie Habte: Weil gerade viele, überwiegend junge Menschen aus Eritrea fliehen und nur wenig über die Ursachen berichtet wird.
Wovor fliehen sie?
Zwischen Eritrea und Äthiopien gibt es seit Jahren militärische Auseinandersetzungen. Das hat zur Folge, dass der Staat junge Menschen für einen sehr niedrigen Lohn zum Militärdienst zwingt. Seit 1994 nimmt das kein Ende. Aber auch anderen Angestellten des Staates ergeht es nicht besser. Die jungen Menschen haben keine Hoffnung auf eine Besserung, ihr Gehalt gibt ihnen keine vernünftige Lebensgrundlage.
Betrifft dieses Problem die Älteren denn nicht?
Der Militärdienst beginnt für Männer und Frauen ab 18 Jahren. Deswegen fliehen sie, wenn sie jung sind. Und wenn wir uns einmal deutlich machen, welchen Fluchtweg sie auf sich nehmen müssen, verstehen wir es noch besser: illegal über die Grenze, dann durch die Sahara und über das Mittelmeer nach Europa. Um das zu überleben, muss man im vollen Besitz seiner Kräfte sein.
Warum ist für sie gerade Deutschland so anziehend?
Menschen flüchten dorthin, wo sie Freunde und Verwandte haben. Außerdem ist bei uns die Anerkennungsquote für eritreische Flüchtlinge sehr hoch.
Sind sie denn hier vor Verfolgung sicher?
Ich denke schon. Einige sagen zwar, dass der eritreische Staat hier Spitzel hat, aber dazu kenne ich keine fundierten Beweise.
Können deutsche und europäische Politiker den Menschen in Eritrea helfen?
Wir müssen mit der Regierung reden. Erst dann kann ihr klar werden, was sich ändern muss. Die deutsche Regierung versucht schon, eine wirtschaftliche Zusammenarbeit in Gang zu bringen. So können wir vielleicht Druck auf die Regierung ausüben, dass sie etwas ändert.
Aber die eritreische Regierung hat ihre Versprechen schon oft nicht gehalten.
Umso wichtiger ist es, die Gespräche nicht abbrechen zu lassen.
Ist das Problem bei uns präsent genug?
Nein. Dadurch, dass Eritrea sich selber isoliert , wissen wir kaum, was dort wirklich passiert.
Interview Johanna von Criegern
Film- und Diskussion „Eritrea, das vergessene Land – Politische Situation und Fluchtgründe“: 17 Uhr, Staats- und Universitätsbibliothek, Von-Melle-Park 3, Vortragssaal
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